Hip-Hop aus Palästina:Rappen gegen Hamas

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Hip-Hop wird in der arabischen Welt und auch im Westen immer populärer. Bands wie "Ramallah Underground" drücken im Rap ihre alltägliche Wut in der Besatzung aus. Doch die Vernichtung Israels steht für sie außer Frage.

Charlotte Misselwitz

"Du warst der Terrorist, als du mein Land nahmst!" Es ist schon dunkel in Tel Aviv, als Tamer Nafar, israelischer Palästinenser, diese Worte ins Mikrofon schreit, mal auf Arabisch, mal auf Hebräisch. Fast tausend Israelis hören dem Sänger der Gruppe Dam zu, und nach einer kurzen Verschnaufpause singt er: "Ich hab nichts gegen Frieden. Der Frieden ist gegen mich. Er wird mich zerstören."

Die einen demonstrieren und gehen auf die Straße, die anderen machen ihren Frust zu Rap-Songs für die Jugendlichen in den besetzten Gebieten. (Foto: Foto: AP)

Deutliche Worte, aufgeladen mit politischen Botschaften. Doch darum geht es der palästinensischen Hip-Hop-Gruppe Dam auch. Sie fungiert als Vorbild für viele Rapper in der West Bank, in Israel und im Gaza-Streifen. Ende Oktober werden ihre Songs nun erstmals im Westen beim englischen Plattenlabel "Red Circle Music" veröffentlicht, auf der CD "Dedication". Wer weiß schon, dass Gaza mit insgesamt 45 Rap-Gruppen nach Algerien der Ort mit der größten Hip-Hop-Dichte in der arabischen Welt ist?

Wie der frühe, schwarze Hip-Hop in Amerika

Tamer Nafar, geboren in der israelisch-arabischen Stadt Lod, trägt westliche Klamotten und einen flauschigen Wangenbartansatz. Gerade hat er einen Freund im Gefängnis besucht: "Ich hab's mal durchgezählt: 45 von 50 Inhaftierten waren Araber. Einige kamen sogar aus meiner Nachbarschaft."

Seine Texte vergleicht Tamer Nafar mit den Anfängen des schwarzen Hip-Hop in Amerika, da ging es um Armut und Diskriminierung. Über den zionistischen Hip-Hop von heute kann er sich nur wundern. "Die reichen, weißen Ashkenazi Kids vergleichen sich mit Che Guevara, das ist doch absurd."

Tatsächlich gilt der israelische Hip-Hop unter linken Israelis als rechts und nationalistisch. Die von den palästinensischen Jugendlichen gereimten Sätze über Volk und Land kann man allerdings ebenso als nationalistisch begreifen. Das sieht Tamer Nafar, der in seinen Texten den Staat Israel immer wieder heftig attackiert, natürlich anders. Gefährlicher aber findet er, dass 99 Prozent der arabischen Lieder schlichte Liebeslieder sind, also Lieder ohne politischen Anspruch.

Viel gehört wird auch die Stimme von Jad Abbas, dem Sänger der Gruppe Ramallah Underground: "Rap in der Westbank handelt meist von der Besatzung und den palästinensischen Rechten." Er sitzt auf einer Mauer, am Hang eines jener Berge, die die palästinensische Hauptstadt umgeben. Er blickt gen Westen. Irgendwo dort in Israel vermutet er die Gruppe Dam, deren Texte er hauptsächlich aus dem Internet kennt. Er seufzt: "Wir Palästinenser sind wahrhaftig voneinander getrennt."

"Wir haben Ausgehsperre, unser Blut kocht"

Wie alle aus den besetzten Gebieten darf er nicht nach Israel. "Ich studiere Wirtschaft, weil ich glaube, damit wird die Welt regiert. Wenn alle Palästinenser israelische Produkte boykottieren würden, dann müsste sich Israel ändern." Sein Künstlername lautet denn auch "Boikutt".

In der zweiten Intifada, kurz nachdem er nach Ramallah kam, sah er die israelischen Panzer durch die Straßen rollen. So entstand sein erster Track: "Wir haben Ausgehsperre, sitzen jeden Tag zu Haus, unser Blut kocht, und unsere Köpfe sind voller Ideen darüber, wie man Israel zerstören kann."

Er war damals noch ein Junge, erzählt er, und die Situation war für ihn frustrierend. In einer Zeit, in der zehn tote Palästinenser auf einen toten Israeli kamen, schienen ihm palästinensische Attentate sinnlos. Trotzdem wollte er die Besatzung nicht einfach hinnehmen. So begann er, Songtexte zu schreiben.

Und blieb dabei, auch wenn man wegen der herrschenden Armut in den palästinensischen Gebieten von Musik nicht leben kann. Immerhin hat "Ramallah Underground" schon in Jordanien, Lausanne, London und sogar in Washington umjubelte Konzerte gegeben. Ihr Rap klingt oft grenzwertig.

Aber keiner von ihnen fordert die Vernichtung Israels. Sie reden hingegen von der Zwei-Staaten-Lösung. Nur Jad Abbas kann sich einen palästinensischen Staat mit jüdischer Minderheit vorstellen. Zugleich begreift er Rap-Musik auch als "Widerstand gegen Hamas".

Kaum jemand liebt die palästinensischen Rapper. Die Kids, meist aus gutem Hause, wollen kreativ sein und etwas bewegen. Übers Internet halten sie ihr jugendliches Publikum und den Kontakt untereinander. Jad Abbas aus Ramallah wurde schon mal von Tamer Nafar in der Westbank besucht. Seither versuchen sie verstärkt, mit ihrer Musik die israelische Mauer in den sie voneinander trennenden Territorien zu überwinden.

Die Grenzen, auf die sie in der eigenen arabischen Welt dabei stoßen, können sie davon nicht abhalten.

© SZ vom 21.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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