Jugendbuch:Die coole Seite der Gesellschaft

Wie auf dem Pausenhof: Um die Highschool zu einem besseren Ort zu machen, braucht es nicht mehr als eine To-Do - Liste, natürlich von Gott.

Von Leo Kilz

Im Mikrokosmos einer amerikanischen Highschool wird geliebt, gelästert, geschlagen und gefeiert, wie es die Zutatenliste jeder guten Erzählung verlangt. Wer sein Publikum obendrein zum Lachen bringt, hat dar richtig Rezept einer gelungenen Geschichte gefunden.

Die Jugendliteratur hat die Faszination des Coming-of-Age-Genres nie aus den Augen verloren, das erklärt sich schon aus der angesprochenen Zielgruppe. Die Lebensphase, in der wir Menschen uns vom Dasein des naiven Schulkinds verabschieden und plötzlich nach Glück streben und Verantwortung übernehmen müssen, liefert zweifelsohne großartigen Erzählstoff. Das wissen nicht nur Jugendbuchautoren. Paul Thomas Andersons neuer Film "Licorice Pizza" füllt mit der Geschichte einer unwahrscheinlichen ersten Liebe die Kinokassen. Benedict Wells' Nostalgieroman "Hard Land" erzählt vom Erwachsenwerden. Das Münchner Volkstheater bringt in "Gymnasium" die Suche nach der Wahrheit als Highschool-Oper auf die Bühne.

Mit seinem neuen Jugendroman "Kurz mal mit dem Universum plaudern" besinnt sich der amerikanische Autor Preston Norton auf die Urformel des Coming-of-age-Genres: Ein äußert unbeliebter Außenseiter gerät durch Zufall auf die coole Seite der Gesellschaft; beide Parteien entdecken, dass sie einander ähnlicher sind als gedacht. Im Hintergrund droht ein Schicksalsschlag; parallel entwickelt sich eine erste Liebesgeschichte. Und das einzig wichtige an der Schule ist die Mittagspause, weil sich in der Mensa entscheidet, wer mit wem am Tisch sitzt. Bei Norton ist es der korpulente Cliff (Spitzname "Der Neandertaler"), der mit seinem gewalttätigen, arbeitslosen Vater und seiner sanftmütigen Mutter in Happy Valley im US-Bundesstaat Montana in einem Trailerpark wohnt.

Aaron Zimmermann, allseits beliebter Star der schuleigenen Football-Mannschaft, berichtet nach einem Unfall von einer wunderlichen Nahtoderfahrung. Gott persönlich, behauptet er, habe ihm eine To-Do-Liste mit auf den Weg gegeben, um ihre High School zu einem besseren Ort zu machen. Fast noch absurder scheint, dass Aaron ausgerechnet Cliff bittet, ihm dabei zu helfen. Am Anfang läuft die gemeinsame Mission glänzend. Nicht nur freunden die beiden sich an, Aaron bringt Cliff sogar auf die Idee, die vorlaute Tegan könnte ihn tatsächlich süß finden. Doch als Aaron erneut ins Krankenhaus eingeliefert wird, gerät die schöne neue Welt aus den Fugen. Cliff muss nach und nach erkennen, dass die Liste mehr mit ihm zu tun hat, als ihm lieb ist. Und mit dem Selbstmord seines Bruders Shane ein Jahr zuvor, den Cliff noch nicht ansatzweise verarbeitet hat.

Norton schreibt so vulgär wie ein Pausenhof sein kann, von speckigen Wichsgriffeln und Wackelärschen, ohne dabei seine Moral preiszugeben.

Der Autor bedient sich aus dem Highschool-Baukasten. Mühelos schreibt er über Religion und Toleranz, thematisiert die zerstörerische Wirkung von Drogen und die Schere zwischen Arm und Reich. Er macht gesellschaftliche Probleme zu selbstverständlichen Komponenten seiner Erzählung. "Kurz mal mit dem Universum plaudern" ist das erste Buch von Preston Norton, das auf Deutsch erschienen ist, meisterhaft von Jessika Komina und Sandra Knuffinke aus dem Englischen übersetzt. Norton schreibt so vulgär wie ein Pausenhof sein kann, von speckigen Wichsgriffeln und Wackelärschen, ohne dabei seine Moral preiszugeben. Angesprochen werden vor allem testosteron-geladene Wesen zwischen 14 und 17 Jahren. Auch diejenigen, die schon länger kein Buch mehr in die Hand genommen haben. (ab 13 Jahre)

Preston Norton: Kurz mal mit dem Universum plaudern. Aus dem Englischen von Jessika Komina und Sandra Knuffinke. Hanser, 2022. 448 Seiten, 17,50 Euro.

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