Süddeutsche Zeitung

Hertzkammer:Zurück in die Zukunft

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"Egotronic" lassen im Feierwerk den Elektropunk aufleben

Von Rita Argauer

Immer schön dagegen sein. Was angesichts der weltpolitischen Lage derzeit wirklich nach einer ernsthaften Bedrohung klingt, ist in der Popkultur seit langem Motor und treibende Kraft. Man formte die Popmusik - egal welcher Stilistik - primär in Abgrenzung zu anderen Genres und in Abgrenzung zu Vergangenem, aber wunderbar ungefährlich, weil die Abwehrhaltung in der Kunst eben künstlich bleibt. Genau deshalb haben sich aber auch Deutschpunk und elektronische Musik erst einmal ausgeschlossen. Oberflächlich zumindest prallten da in den Neunzigerjahren Welten aufeinander: Einerseits die, die den Dreck verherrlichten und das "No-Future" als Credo ausriefen, andererseits die Love-Parade-Raver mit Neo-Hippie-Ideologie samt Kindchen-Schema und Eierkuchen-Freude. Ja, das schloss sich aus, abgesehen von Glitch-Fricklern irgendwo in den USA und Großbritannien, die da schon etwas weiter waren als in Deutschland.

Hier musste man warten, bis eine Hamburger Band namens Egotronic auf den Plan trat. Der Sänger Torsun war ein parolenskandierendes Deutsch-Punk-Bürschchen schönster Couleur, die Zwei-Akkord-Riffs wurden jedoch nicht mehr auf der E-Gitarre samt Bumm-Tschack-Schlagzeug erzeugt, sondern per Drumcomputer und Synthesizer. Die Haltung, der Gesang und die Texte waren Deutschpunk, die Musikerzeugung elektronisch. Lange gab es Egotronic nur als Live-Band. Bis sie schließlich ein gewisser Lars Lewerenz überredete, ein Album aufzunehmen, das er dann auf seinem kurz zuvor gegründeten Label Audiolith herausbringen würde.

Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte der Verquickung: Audiolith entwickelte sich zum Stilbild der Nation in Sachen Elektropunk. Und von den autonomen Zentren über die Dorfdiskos zu den Großstadt-Clubs wurde dazu getanzt. Plemo, Bratze oder Rampue lieferten die Musik, Audiolith veröffentlichte. Später wurden Frittenbude wohl am bekanntesten, in dem sie hymnisches Mitsing-Material mit einer sehr politischen Haltung verbanden, und Deichkind katapultierten diese Musik schließlich in den Mainstream. Dann, nach knapp zehn Jahren verrauschte der Hype wieder, so wie das bei Popmusik ein ganz normaler Kreislauf ist. Nun ist seit der Labelgründung 2003 aber genug Zeit vergangen, dass es Zeit für ein Revival ist. Audiolith schickt seine Aushängekünstler Egotronic und "Der Tante Renate" mit einer Setlist auf Tour, in der sich nur Songs finden, die älter als zehn Jahre sind: Zurück zum Anfang der Zukunft, die damals Elektropunk hieß.

Egotronic, Der Tante Renate ; Freitag, 25. November, 21 Uhr, Feierwerk, Hansastraße 39

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Quelle:
SZ vom 24.11.2016
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