Süddeutsche Zeitung

Hertzkammer:Virtuose Tüftler

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Das Electro-Duo "Ströme" in der Roten Sonne

Von Rita Argauer

Man kennt die Fotos der ersten Computer: Rechensysteme in riesigen Schränken, die irre viel Strom verbrauchten. Der Rest ist Geschichte, und das heutige Zeitalter ist durch kaum etwas anderes so maßgeblich geprägt wie die einfache Handhabung einer immensen Rechenleistung. Da erscheint es symptomatisch, dass solch riesige Rechenzentren heute auch dafür gebraucht werden, um etwa die Netz-Währung Bitcoin zu generieren.

Doch zur Musik, denn auch die wurde mit der laufenden Weiterentwicklung der Computer in ihrem Entstehungsprozess grundlegend verändert. Nicht nur, dass man derzeit eigenständig am Laptop diverse Instrumente aufnehmen kann. Auch die Synthesizer, denen früher aus der Erzeugung eines Sinustons die Mehrstimmigkeit erst langsam beigebracht werden musste, finden sich mittlerweile in jedem Laptop mit schier unendlichen Möglichkeiten der Klangerzeugung. Dagegen wirkt das Duo Ströme aus dem Chiemgau wie der Bitcoin-Generator der Techno-Welt. Denn anstatt eines schlanken Laptops reisen die beiden mit schrankgroßen analogen Modularsynthesizern zu ihren Gigs, um darauf psychedelisch gelassenen und weich zugänglichen Techno zu erzeugen.

In den Clubs stehen dann diese Schränke, in denen es pro gewünschtem Mehr an Klang ein neues Modul braucht, das dann im richtigen Moment per Kabel angesteckt werden muss. So wie früher im Telefonamt die Verbindung gesteckt werden musste. Ein riesiger Aufwand, den sich die beiden Musiker Mario Schönhofer und Tobi Weber da für ihre Musik, die sie mittlerweile auf Compost Records veröffentlichen, antun. Aber einer, der sich lohnt. Denn die elektronische Musik hat durch ihre versteckte Musikerzeugung (ist es denn groß zu unterscheiden, ob da jemand hinter einem Laptop besonders rhythmisch eine E-Mail tippt oder Musik macht?) einen Abstraktionsgrad erreicht. Wenn Ströme ihren Schranksynthesizern nun völlig ersichtlich Ton um Ton und Klang um Klang abringen, wird die Musik greifbar und beeindruckt auf einer weiteren Ebene: Denn ein wenig erlangt damit der Techno den Status des von Franz Liszt über Jimi Hendrix bis zu den Battle-Raps so ungebrochen beliebten Virtuosentums.

Ströme , Samstag, 31. März, 23 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2018
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