Süddeutsche Zeitung

Hertzkammer:Schrei nach Luft

Lesezeit: 1 min

Das iranische DJ-Duo Blade & Beard im Harry Klein

Von Theresa Hein

Münchner Technofans kennen sie schon seit dem Dokumentarfilmfest im Mai: Anoosh Raki und Arash Shadram, auch bekannt als Blade & Beard. Die beiden DJs sind die Stars des Dokumentarfilms "Raving Iran". Mittlerweile ist das Duo den Geheimveranstaltungen in der iranischen Wüste entwachsen, sogar auf der Streetparade am Zürichsee haben sie aufgelegt. Was sich anhört wie ein Märchen aus dem 21. Jahrhundert, hat einen düsteren Prolog: Es war bei Anoosh und Arash stets mehr als der Nervenkitzel, etwas Verbotenes zu tun. Mehr als ein einfacher, musikalischer Protest: Anoosh und Arash sind in einem Land geboren, in dem ihr Lebensentwurf mit dem Tod bestraft werden kann.

Und das hört man auch in ihrer Musik: Der Track "Under Water" versammelt dumpfe Bässe, ferne Echos, keine Drums. Ein lang gezogener, synthetischer Schrei nach Luft zum Atmen. Wer behauptet, Techno sei zu stumpf für eine tiefenpsychologische Ebene, der wird vielleicht bei Blade & Beard fündig. Ihre Tracks tragen Namen wie "Bringing Me Out The Dark" oder "Empty World" und sind psychotronisch, melodisch, manchmal geradezu zerbrechlich. Und trotzdem unheimlich tanzbar. Blade & Beard sind die Boten einer in Deutschland (hoffentlich) fremden Doppelmoral. Die Besucher des Harry Klein sind am Abend eingeladen, sich den erfolgreichen Ausbrechern eines unterdrückerischen Regimes hinzugeben.

Im Harry Klein wird erst der Film über das iranische DJ-Duo von Regisseurin Susanne Regina Meures gezeigt, dann getanzt. Live zur Musik der Protagonisten. Feiern, dass sie etwas geschafft haben, was in Deutschland keiner schaffen muss, zum Glück, ein bisschen vom verbotenen Glitzerstaub auf sich herabrieseln lassen. Bis zum Tanzverbot um zwei Uhr. Wer vielleicht ein bisschen länger tanzt, und seien es nur fünf Minuten, darf sich selbst ein ganz klein wenig fühlen, als sei er Regimegegner. Raving Bavaria, für den Moment. Und dann? Fällt man ins Bett und erzählt am Montag stolz den Arbeitskollegen davon. Nimmt sie nächstes Mal mit. Das geht ja hier.

Blade & Beard , Samstag, 19. November, 21 Uhr, Harry Klein, Sonnenstraße 8

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016
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