Süddeutsche Zeitung

Hertzkammer:Leid und Leidenschaft

Schauspieler Leon Haller legt beim Rathaus-Clubbing auf

Von Martin Pfnür

Über fehlende Auslastung wird sich Leon Haller kommendes Wochenende eher nicht beklagen. Am Freitag gibt er am Schauspiel Stuttgart den Platonow in Tschechows gleichnamiger Komödie. Am Samstag legt er im Rahmen der Feierlichkeiten zum Christopher Street Day als Vertreter der queeren Party-Reihe "Garry Klein" sieben Stunden lang im Münchner Rathaus auf. Und am Sonntag gibt er dann, zurück nach einem DJ-Set bis fünf Uhr morgens, erneut den Platonow.

Was nach immensem Stress klingt, ist für den frisch gebackenen Absolventen der Münchner Theaterakademie August Everding nichts weniger als das konsequente Ausleben zweier Leidenschaften. Theater und Techno, für Haller - Jahrgang 1996, aufgewachsen und musiksozialisiert in Bielefeld - muss es immer beides sein. Mit 17 nimmt er an seinem ersten Rave teil, seitdem liebt er diese Musik "einfach abgöttisch", wie er erzählt. Parallel zu seinen ersten schauspielerischen Gehversuchen im Jugendclub des Theaters Bielefeld beschafft er sich von seinem Konfirmationsgeld erstmals günstige Plattenspieler und Vinyl, arbeitet sich in die Kunst des Mixens ein, und spielt seine ersten Gigs in Bars und auf Vernissagen.

So richtig in Fahrt kommt er jedoch erst im Zuge seiner schauspielerischen Ausbildung in München. Schwierig sei das anfangs gewesen, er habe ja niemanden gekannt. Und doch findet er über einen Mix, den er einer Veranstalterin der Roten Sonne zukommen lässt, alsbald Eingang in die Szene, füllt erst kleinere Slots im Kellerclub am Maximiliansplatz - und gibt im Spätherbst 2017 im Rahmen von "Garry Klein" schließlich sein Debüt mit einem abendfüllendem Set im Harry Klein. Seitdem gehört er dort zur Stammbesetzung, gerade in der Doppelbelastung liegt für ihn der Reiz. "Manchmal ist es toll, um acht Uhr morgens aus dem Club zu kommen", sagt er. "Du bist verschwitzt, gehst duschen, trinkst einen Liter Kaffee, gehst dann zur Probe. Am Ende des Tages fühlst du dich wach und tot gleichzeitig." Vor einem Monat hat Leon Haller übrigens ein grandios acidverstrahltes und verbollertes Mixtape auf seiner Soundcloud-Seite hochgeladen. Mit "It's okay to suffer" überschreibt Haller diese fulminant aufputschende Knüppelei, mit "Es ist okay zu leiden" also. Bündiger lässt sich die Arbeitsdevise dieses doppelt Begabten wohl kaum zusammenfassen.

Leon Haller, Samstag, 13. Juli, 22 Uhr, Rathaus München, Marienplatz 8

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Quelle:
SZ vom 11.07.2019
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