Hermans Rauswurf bei Kerner:Unredliche Selbstgerechtigkeit

Der Umgang mit Eva Herman verkennt die deutsche Gretchenfrage: Wie verrät sich braunes Denken?

Andreas Zielcke

Nichts leichter, als Eva Herman öffentlich vorzuführen. Dass Frauen ihre wahre Erfüllung im Heim und am Herd und insbesondere in der Mutterschaft finden, ist für alle Frauen, die sich privat und beruflich zu Recht ebenso entfalten wollen wie Männer, ein hoffnungslos gestriger, ja reaktionärer Gedanke.

Hermans Rauswurf bei Kerner: Eva Herman am Dienstagabend zu Gast bei Johannes B. Kerner, bevor sie des Studios verwiesen wurde.

Eva Herman am Dienstagabend zu Gast bei Johannes B. Kerner, bevor sie des Studios verwiesen wurde.

(Foto: Foto: dpa)

Nichts leichter also, als Eva Herman dem Spott und der Verachtung auszusetzen. Und da sie sich in ihrem missionarischen Furor immer öfter versteigt und zu Formulierungen greift, die womöglich eine Nähe zu NS-Gedankengut anzeigen, mischt sich in den Hohn zunehmend politische und moralische Empörung.

Jede Aussage, die eine solche Nähe vermuten lässt, rührt an das tiefste Tabu des deutschen Diskurses. Kein Tabu, das besser begründet, und keines darum, das sorgsamer zu achten wäre. Aber diese Sorgfalt verlangt umgekehrt auch, dass der Vorwurf, tödlich wie er für die öffentliche Existenz ist, hinreichend belegt wird. In der Sendung von Johannes B. Kerner am Dienstagabend gab es solch eine Gelegenheit der Überprüfung, und sie wurde jämmerlich vertan.

Der Eklat, den Eva Hermans Rauswurf aus der Sendung darstellt, ist entgegen dem ersten Anschein kein Eklat, der ihr allein in die Schuhe zu schieben ist, es ist ein Debakel des Moderators und seiner weiteren Gäste. Er ist vor allem symptomatisch für das Unvermögen zum öffentlichen Streit, wenn es um das deutsche Tabu geht. Welche Sprache, das war die unterstellte Kernfrage der Sendung, welche Sprache ist verräterisch und lässt auf NS-infiziertes Denken schließen?

Nachdem Kerner selbst vortrug, dass jene inkriminierten Sätze über das angeblich richtige Mutterbild im Dritten Reich, die Eva Herman ihren Job beim Fernsehen kosteten, offenbar so gar nicht gefallen waren, schaltete man um und versuchte, ihr die vermutete NS-Nähe indirekt nachzuweisen - und hier wurde es zum Lehrstück überheblicher Besser-, nein Schlechterwisserei.

Ein Satz in einem der Bücher Eva Hermans, in dem sie den "Individualismus" für die Zerstörung der überkommenen Familienwerte verantwortlich macht, wird mit einer ähnlichen Kritik am "Individualismus" in Alfred Rosenbergs faschistischem "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" konfrontiert. Das Etikett "gleichgeschaltet", mit dem Eva Herman die sie treffende breite Medienschelte belegt, wird als NS-Begriff charakterisiert. Und der Hinweis auf Hitlers Autobahnen wird ihr als apologetisch ausgelegt.

Nun muss man Eva Herman nicht gegen jeden Vorwurf in Schutz nehmen, sie ist eifernd und verstiegen genug, den Verdacht brauner Gedanken auf sich zu lenken. Aber diese Art der Beweisführung ist absurd. Die Kritik am dominanten Individualismus gehört zum Fundament konservativer Kulturkritik bis heute - es wäre ein geistesgeschichtlicher Witz, diese Gedankenfigur zu verbieten.

Auch der Vorwurf der Gleichschaltung zählt längst zum Arsenal der Medienkritik, er ist - im Westen - fast immer polemisch und mächtig übertrieben, aber wer lokalisiert, wenn man ihn im Spiegel oder in der SZ liest, seinen Autor ideell im Dritten Reich? Und Hitlers Autobahnen gehören schon zur zynischen Folklore. Abgesehen davon war Eva Hermans Pointe genau umgekehrt: Heute den Ausdruck "gleichgeschaltet" zu benutzen, besage doch nicht mehr, als heute auf Hitlers Autobahnen zu fahren. Stimmt!

Man braucht sich gar nicht zu vergegenwärtigen, mit welcher skrupulösen Umsicht Victor Klemperer in seiner "Lingua Tertii Imperii" typische Sprachvehikel des Dritten Reichs untersucht hat, um die unredliche Selbstgerechtigkeit heutiger Anklagen wie bei Kerner zu erkennen. "System", "Intelligenz", "Objektivität" - alles bösartig verwendete Begriffe der NS-Denker, wie Klemperer zeigt.

Doch systematisch, intelligent und objektiv - wenn man den heutigen politisch Korrekten doch nur diese Etiketten anheften könnte!

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