Süddeutsche Zeitung

Hermann Nitsch in Bayreuth:Achtung: Frisch gestrichen

Hermann Nitsch illustriert eine Art "Ring"-Best-of mit buntem Actionpainting. Malerei und Musik finden aber nicht zusammen.

Von Reinhard J. Brembeck

Weil die Bayreuther Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" im vergangenen Jahr seuchenbedingt nicht auf die Bühne fand und auf 2022 verschoben wurde, boten die Richard-Wagner-Festspiele dieses Jahr eine eintägige "Ring"-Phantasie, in der alle vier Teile zumindest bruchstückhaft angespielt wurden. Am vollständigsten kam dabei der zweite Teil der "Walküre" vor, konzertant im Festspielhaus aufgeführt. Der 82-jährige Actionpainter und Schlachtkünstler Hermann Nitsch ließ dazu einen Trupp seiner Mitarbeiter live bunt leuchtende Tropf- und Schüttbilder erstellen. Die einen ließen die verschiedensten Farben an leuchtend weißen Riesenleinwänden herabrinnen. Die anderen schütteten auf dem Boden liegende Leinwände nach und nach aus den vielen bereitgestellten Farbeimern voll. Nitsch war nie zu sehen, er dirigierte alles aus dem Hintergrund.

Jeden der drei Akte begann die Malertruppe auf einer weißen Bühne, an deren Rand schlichte Holzstühle für die Sänger in schwarzen Soutanen standen. Der Synästhetiker Nitsch übersetzte Wagners dunkle Leidenschaften und Verzweiflungen erstaunlicherweise in helle Leuchtstreifen und Farbseen. Da ist viel Grün, Gelb, Magenta, Orange und Blau. Wotans Lebensüberdruss aber kommt in der Stückmitte ganz in Schwarz daher, das sich bald durch Gelb und Weiß auflichtete. Exakte Übereinstimmung zwischen Musik und Malerei waren aber eher selten bei dieser sommerlich leichten Live-Action. Als Hermann Nitsch zuletzt auf eine Krücke gestützt erschien, wurde er auch ausgebuht. Aber das kümmerte den Meister des Orgien-Mysterien-Theaters nur wenig, da ist er schon sehr viel wütendere Ablehnungen gewöhnt.

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