Herbstauktionen:Rekord bei Nay

Recht unterschiedlich waren die Ergebnisse der Herbstauktionen bei Lempertz, Villa Grisebach, Van Ham, Karl & Faber, Ketterer.

Von Dorothea Baumer

Das Spektakulärste an dieser Herbstsaison waren die Millionenzuschläge. Die gedämpfte Frühjahrsstimmung wich keinem stürmischen Herbst. Das Angebot blieb gediegen, und einzig ein paar Höhepunkte sorgten für größere Aufmerksamkeit. Ein starker Millionenzuschlag für Günther Uecker und Ernst Wilhelm Nays Weltrekord-Bild zählen dazu. Die Klassische Moderne, so gefragt sie nach wie vor ist, ächzt seit Langem unter chronischem Nachschubmangel. Entsprechend überschaubar war das Angebot. Die Alte Kunst, inzwischen auf eine Existenz am Rande geschrumpft, blüht nur mehr da auf, wo Außergewöhnliches geboten wird (Lempertz allein verfügte über einige große Lose). Stark wie nie trat die Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst ins Zentrum des Geschehens. Das Interesse der Sammler war klar fokussiert auf Spitzenwerke. Wo sie auftauchten, ließen großzügige Einsätze nicht auf sich warten. Nur, wo waren sie, die singulären, unwiederbringlichen Stücke, um die zu fechten sich lohnte?

Herbstauktionen: Eines der am höchsten bezahlten Kunstwerke bei den Herbstauktionen in Deutschland: Ernst Wilhelm Nay: „Scheiben und Halbscheiben“.

Eines der am höchsten bezahlten Kunstwerke bei den Herbstauktionen in Deutschland: Ernst Wilhelm Nay: „Scheiben und Halbscheiben“.

(Foto: VG Bildkunst, Bonn 2017)

Unter den "Ausgewählten Werken" der Villa Grisebach, die die Auktionsserie moderner und zeitgenössischer Kunst in den deutschen Häusern am 30. November eröffnete, offensichtlich nicht. Wie schon im Frühjahr blieb gut ein Drittel der Prestigeofferte (19 von 52 Losen) liegen. Von sieben Max-Liebermann-Arbeiten überzeugte nur eine. Auch das Titellos, eine späte Landschaft von Gabriele Münter, versagte. Zu Steigerungen animierte wenig. So geriet das schöne neusachliche Portrait der Schauspielerin Helene Weigel von Rudolf Schlichter zur großen Ausnahme: Es wurde weit jenseits der Schätzung (200 000) bei 480 000 Euro zugeschlagen, kostete also mit Aufgeld 600 000 Euro. Für das Hauptlos des Abends, Max Beckmanns 1941 entstandene Landschaft "Braunes Meer mit Möwen", galt die untere Taxe von 1,2 Millionen (brutto 1,46). Für Ernst Wilhelm Nays Monumentalbild "Chromatische Scheiben" von 1960, zuletzt 2011 für 750 000 Euro zugeschlagen, jetzt mit 800 000 angesetzt, fiel der Hammer, gefechtslos, zur Taxe. Was exquisit Expressionistisches selbst im Kleinstformat noch vermag, zeigten dagegen in der Sparte "Small is Beautiful" drei aquarellierte Postkarten, die Franz Marc seinem Künstlerkollegen Erich Heckel 1913 schrieb. Die attraktiven Tiermotive, taxiert auf je 100 000 Euro, ließ sich ein Sammler bei 740 000 zuschlagen, sie kosteten mithin brutto 925 000 Euro. So schwach die Moderne tendierte, so zügig wurde diesmal die zeitgenössische Kunst abgenommen: darunter weit über der Taxe Günther Ueckers Nagelbild "Fluß" von 1984 (400 000), das einem Bieter aus Hongkong bei 840 000 zufiel. Oder auch die Installation "Erdtelefon" von Joseph Beuys (100 000), für die der Pariser Handel 360 000 Euro bot. Beides trug entschieden zum bislang besten Ergebnis in dieser Sparte für Grisebach bei. Der Gesamtumsatz der viertägigen Auktionsfolge belief sich auf 24,2 Millionen.

Großes internationales Interesse für Fotografien von Heinrich Kühn

Ohne größere Ausschläge gingen auch bei Lempertz die Moderne-Auktionen über die Bühne. Das Angebot erschien nicht übermäßig reizvoll, das der zeitgenössischen Kunst, eigentlich eine Domäne des Hauses, ungewöhnlich schmal. Zwar reüssierte das Toplos der Moderne, Georges Braques Stillleben mit Kaffeemühle von 1942, souverän über der Taxe (400 000) bei einem Zuschlag von 820 000 Euro, mit Aufgeld gut eine Million, und auch Max Pechsteins Hafenbild aus den Zwanzigern bewährte sich im Rahmen der Taxe mit 410 000 Euro. Aber dem standen eben auch eine Reihe von Rückgängen gegenüber. Bei den Zeitgenossen wurde der angepeilte Rekordpreis von 100 000 Euro für Rebecca Horns kinetische Installation realisiert. Copley, Nay und Schumacher waren begehrt, Gerhard Richters "Teyde-Landschaft (Skizze)" indes blieb im Vorbehalt von 750 000 Euro stecken (der nach der Auktion aufgelöst wurde). Die Ingredienzien einer Rekordauktion bot dagegen eine Spezialofferte der Fotografie, die internationale Sammler und Museen elektrisierte, beherzte Steigerungen zeitigte sowie Zuschläge, die ein neues Preisniveau für den Künstler etablierten. Die Rede ist von sechzig Fotografien Heinrich Kühns, eines herausragenden Vertreters des sogenannten Piktorialismus, die Lempertz mit einem Erlös von 850 000 Euro die "bei weitem erfolgreichste" Fotografie-Auktion bescherten. Das Spitzenblatt, ein Stillleben von 1911, taxiert auf 6000 Euro, landete mit Aufgeld bei knapp 35 000, das Bildnis "Ms. Mary" wenig darunter bei 31 000, eine Tonwertstudie bei gut 22 000 Euro. Moderne und zeitgenössische Kunst schlossen mit 5,2 und 4,95 Millionen Euro.

Uecker_Both

Auch Günther Ueckers "Both" ist eines der am höchsten bezahlten Kunstwerke bei den Herbstauktionen.

(Foto: VG Bildkunst, Bonn 2017)

Weder die Alte Kunst noch die Moderne konnten es im zweiten Kölner Haus, bei Van Ham, mit der zeitgenössischen Kunst aufnehmen, die entschieden im Zeichen von Zero stand. Arbeiten von Heinz Mack und Otto Piene waren gefragt, weit mehr als diese allerdings ein Nagelbild Günther Ueckers: die monumentale Doppelspirale "Both" von 2011 aus dem Besitz von Helge Achenbach. Als bei 2,2 Millionen Euro der Hammer fiel, war unter Applaus das teuerste Bild des Jahres zugeschlagen. Auch Achenbachs Teil an der Kollektivsammlung "Rheingold" fuhr gute Preise ein, insbesondere für Fotoarbeiten von Wolfgang Tillmans (220 000, 300 000) und sorgte dafür, dass die Erwartungen von sechs Millionen mit eingespielten 9,3 Millionen Euro weit übertroffen wurden.

Ein Aquarell von Franz Marc bringt mehr als ein Gemälde von Oskar Kokoschka

Wie hoch Expressionistisches der ersten Stunde noch immer in der Gunst der Sammler steht, zeigte sich auch bei Karl & Faber, wo zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Gemälde Heinrich Campendonks zum Aufruf kam, das 1916 entstandene "Bild mit Vögeln". Mit Aufgeld 600 000 Euro war einem norddeutschen Sammler das auf 250 000 taxierte Gemälde wert; es trug so, zusammen mit Werken von Feininger, Pechstein, Nay und Buchheister, zum bislang besten Ergebnis des Hauses bei.

Ein ausgesprochen lebhaftes Finale bot schließlich Ketterer, wo sich eine starke Nachfrage und hohe Steigerungen zu einem Umsatz von 25 Millionen Euro summierten. Hier reizte ein attraktives Angebot zu moderaten Taxen die Käufer über hohe Preishürden hinweg. In Franz Marcs Aquarell "Zwei Pferde, blau-grün" von 1911, so bezaubernd wie selten, investierte ein Sammler im Saal gut die dreifache Taxe mit 620 000 Euro (brutto 775 000); für Oskar Kokoschkas "Hamburg III"-Bild waren nicht 200 000, sondern 470 000 Euro fällig; Auguste Herbins fauvistische Szene "Le vieux port de Bastia" startete bei 65 000 und endete bei 450 000 Euro. Die Dynamik erhöhte sich noch in der Kunst nach 1945, als eine kleine schwarze "Peinture" aus dem Jahr 1957 von Pierre Soulages, assistiert von über 30 Telefonen, von 35 000 Euro auf 300 000 Euro abhob. Pures Staunen dann, als Ernst Wilhelm Nays brillantes "Scheiben und Halbscheiben"-Bild von 1955 bei 230 000 Euro zu seinem Höhenflug ansetzte, die bisherige Rekordmarke von 800 000 nahm und erst nach einer weiteren Million bei 1,85 oder brutto 2,3 Millionen Euro unter Applaus einen Weltrekordpreis für den großen Nachkriegsabstrakten einfuhr. Für das Münchner Haus war die Tendenz eindeutig: Weniger Lose erreichten höhere Preise, bei Steigerungen von durchschnittlich achtzig Prozent. Im übrigen verzeichnete die zeitgenössische Kunst 30 Prozent Neukunden. Das ist bemerkenswert, schließlich steckt hier jede Menge Zukunftspotenzial.

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