Henryk M. Broder und Jakob Augstein:"Dafür entschuldige ich mich. Und nur dafür"

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Äußerungen des Publizisten Jakob Augstein sind auf einer Antisemitismus-Liste gelandet - auch mit Verweis auf Zitate von Henryk M. Broder. Der veröffentlicht nun eine äußerst verkappte Entschuldigung.

Unter der Überschrift "2012 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs" (Top Ten der antisemitischen/antiisraelischen Verunglimpfungen 2012) setzte das Simon Wiesenthal Center den Publizisten Jakob Augstein mit einigen Äußerungen zum Nahost-Konflikt Ende Dezember auf Rang neun. So erschien Augstein in einer Reihe mit den Führern der ägyptischen Muslimbrüderschaft, die Platz eins, und der iranischen Regierung um Mahmud Ahmadinedschad, die Platz zwei einnahm.

Die Organisation begründete diesen Eintrag nicht nur mit den Zitaten aus Augsteins Veröffentlichungen, sondern auch mit der Anmerkung, der "angesehene Welt-Kolumnist Henryk M. Broder", der bereits im Bundestag als Zeuge zum Anti-Semitismus in Deutschland aufgetreten sei, habe Augstein als "kleinen Streicher" bezeichnet und wie folgt charakterisiert: "Jakob Augstein ist kein Salon-Antisemit, er ist ein lupenreiner Antisemit, ... ein Überzeugungstäter, der nur um die Gelegenheit gekommen ist, bei der Gestapo Karriere zu machen, weil er nach dem Krieg geboren wurde. Er hätte jedenfalls gehabt, was man dafür braucht."

Über die Entscheidung des Zentrums wurde seither in Deutschland intensiv debattiert. Zuletzt hatte der für die Liste mitverantwortliche Rabbi Abraham Cooper im Gespräch mit der dpa klargestellt, diese bedeute nicht automatisch, dass Augstein ein Antisemit sei. "Wir sprechen nicht von der Person, sondern von den Zitaten", so Cooper.

Nun folgt auch von dem vom Simon Wiesenthal Center als Kronzeugen angeführten Broder eine Einschränkung. In einem Artikel, der bei Welt Online zu lesen ist, nimmt der Journalist den Vergleich mit dem Nationalsozialisten Julius Streicher und die Formulierung bezogen auf Augsteins Glück der späten Geburt zurück.

"Das war vollends daneben", so Broder in seinem Artikel, und weiter: "Jakob Augstein ist weder ein kleiner noch ein großer Streicher, er verlegt nicht den Stürmer, sondern den Freitag, er ist verantwortlich für das, was er heute macht, und nicht für das, was er in einem anderen Leben möglicherweise gemacht oder nicht gemacht hätte."

An einer anderen Stelle seines Textes erklärt Broder, er "schieße im Eifer des Gefechts schon mal über das Ziel hinaus". Er habe gewisse Dramatisierungen bei anderen immer kritisiert, sei nun aber "in dieselbe Falle getappt. Dafür entschuldige ich mich. Und nur dafür."

Anders als es die Überschrift des Welt-Artikels zunächst nahe legt, kann der Text tatsächlich nicht als umfassende Entschuldigung gesehen werden. An anderen Stellen nämlich bekräftigt Broder frühere Vorwürfe, etwa durch die Äußerung: "Augstein liefert die Begleitmusik zu Ahmadinedschads Vernichtungsfantasien." Ein Ende seiner Meinungsverschiedenheiten mit Augstein kündigen Broders neuerliche Einlassungen somit kaum an.

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