Von SZ-Autoren:Die Zwischenzeit

Alltag, Feminismus, Naziväter: SZ-Autor Helmut Böttiger hat eine Literaturgeschichte der Siebzigerjahre geschrieben.

Von SZ

Die siebziger Jahre waren ganz anders. Gerade die Parole vom "Tod der Literatur" aus dem Jahr 1968 löste eine wilde Blütezeit der Literatur aus. Etliche neue Zeitschriften spielten mit den Grenzen zwischen Hoch- und Subkultur. Die Generation einer radikalen Politisierung begann, nach Freiräumen für die eigene Subjektivität zu suchen. Peter Schneiders Erzählung "Lenz" wirkte wie ein Fanal. Rolf Dieter Brinkmann und Nicolas Born mischten die Grauzonen des deutschen Alltags mit grellen Farben auf. Der Feminismus hatte etwa mit Verena Stefans "Häutungen" erste Bestseller. Christoph Meckel und Bernward Vesper wandten sich den Prägungen durch ihre Naziväter zu. Zeitgleich aber entstanden mit den großen Epochenromanen von Uwe Johnson, Peter Weiss und Ingeborg Bachmann Monumente eines neuen ästhetischen Bewusstseins. Parallel zum optimistischen Lebensgefühl der Willy-Brandt-Jahre erlebte auch die DDR atmosphärische Lockerungen, bis die Biermann-Ausbürgerung 1976 und die Kanzlerschaft Helmut Schmidts neue Akzente setzten. Böttiger sieht die Phase zwischen 1968 und 1981/82 als eine eigene Epoche, als eine Zwischenzeit mit unterschiedlichsten Suchbewegungen.

Helmut Böttiger: Die Jahre der wahren Empfindung. Die 70er - eine wilde Blütezeit der deutschen Literatur. Wallstein Verlag, Göttingen. 473 Seiten, 32 Euro.

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