Süddeutsche Zeitung

Hellmuth Karasek wird 80:Gute Pointe, schlechte Welt

Hellmuth Karasek ist der ewige Klassenclown des Kulturbetriebs, und er verkörpert diese Rolle in einer Mischung aus Ungeniertheit und Understatement, Koketterie und Selbstironie. Nun wird der Journalist 80 Jahre alt.

Von Kristina Maidt-Zinke

Es fällt schwer, sich ihn als gesetzten alten Herrn und würdevollen Jubilar vorzustellen. Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag müsste er eigentlich mit dem Titel eines seiner Bücher kommentieren: "Soll das ein Witz sein?" Im Literarischen Quartett, das ihn auch bei Nichtlesern populär machte, spielte er den Laus- und Spitzbuben, der jedoch, anders als der König Reich-Ranicki, der Dame gegenüber meist die Form wahrte. Das Bübische ist ihm geblieben, der Zug ins Ritterliche ebenfalls, wie 2009 anlässlich seiner erotischen Memoiren "Ihr tausendfaches Weh und Ach" konstatiert wurde.

Die Vermutung, er werde nie ganz erwachsen werden, geschweige denn altern, zieht sich durch alle Texte, die Freunde und Kollegen über ihn verfassten, woran auch sein eigenes Alters-Lamento "Süßer Vogel Jugend" (2006) nichts änderte. Hellmuth Karasek ist der ewige Klassenclown des Kulturbetriebs, und er verkörpert diese Rolle in einer Mischung aus Ungeniertheit und Understatement, Koketterie und Selbstironie, die ihm kaum mehr einer nachmachen wird.

Denn abgesehen von seinen persönlichen Eigenarten ist er eine Figur, die nur im bewegten und buntschillernden Kulturjournalismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Konturen gewinnen konnte. Am 4. Januar 1934 im mährischen Brünn geboren, als Knabe noch vom Nazi-Spuk betört, über diverse Fluchtstationen nach Bernburg an der Saale gelangt und von dort als Abiturient in den Westen getürmt, nach der Tübinger Germanistik-Promotion in Schwaben wahlbeheimatet und im linksliberalen Geistesleben verankert, wurde Karasek zu einem der bekanntesten Kritiker und Feuilletonisten der heranwachsenden Bundesrepublik. Als Redakteur der Zeit, als Kulturressortleiter und Autor des Spiegel glänzte er durch Pathosfreiheit und Satire, offenbarte freilich schon früh jene unbefangene Affinität zum Boulevard, die ihm den Vorwurf eintrug, er verrate sein intellektuelles Niveau.

Wie Tiger und Bär bei Janosch

Je mehr Geschmack er an Fernsehauftritten im populären Genre gewann, je exzessiver er auch als Buchautor dem Motto huldigte, eine gute Pointe sei besser als eine schlechte Welt, desto kühner riskierte er allerdings seinen Ruf als kulturkritische Instanz. Seiner respektierten Billy-Wilder-Gesprächsbiografie (1992) ließ er mit den Fünfziger-Jahre-Erinnerungen "Go West" (1996), dem Spiegel-Schlüsselroman "Das Magazin" (1998) und der Ehegeschichte "Betrug" (2001) Werke folgen, die Kritikerkollegen reichlich Angriffsfläche boten.

Der Abstand zum "seriösen" Feuilleton vertiefte sich, als er 2004, zeitgleich mit dem Erscheinen seiner Autobiografie "Auf der Flucht", nach siebenjähriger Mitherausgeberschaft beim Tagesspiegel zum Axel-Springer-Verlag wechselte, wo er seither in verschiedenen Blättern den Kolumnisten und Glossisten gibt. Daraus lassen sich immer wieder hübsche Häppchen-Bände basteln, wie etwa "Frauen sind auch nur Männer", nach den Deutschland-Erlebnissen "Auf Reisen" Karaseks zweite Publikation im Jahr 2013.

Am Tag nach seinem Geburtstag, hat er verkündet, will er nach Panama aufbrechen. Wie Tiger und Bär bei Janosch. Kann es ein passenderes Ziel geben für einen, der das Privileg hat, weder alt noch erwachsen zu werden?

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SZ vom 04.01.2014/ihe
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