Hellmuth Karasek gestorben:Wortgewandter Plauderer

Der Literaturkritiker und Schriftsteller Hellmuth Karasek ist tot. Zwölf Jahre trat er in der ZDF-Sendung "Das literarische Quartett" auf - als milderes Pendant zu Literaturpapst Reich-Ranicki.

"Das Fernsehen hat mein Leben am meisten verändert", sagte Hellmuth Karasek einmal. Zwölf Jahre lang hatte Karasek neben Marcel Reich-Ranicki die ZDF-Sendung Das literarische Quartett geprägt und war so einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Seitdem kannten die Menschen sein Gesicht, auch wenn sie ihn manchmal mit Literaturnobelpreisträger Günter Grass verwechselten, wie Karasek selbst erzählte.

Neben Reich-Ranicki, der vor zwei Jahren verstarb, war Karasek über Jahre hinweg die bedeutendste Stimme unter den deutschen Kritikern. Die Meinung beider Herren war im Literaturbetrieb gefürchtet. Er sei im Laufe der Zeit aber milder geworden, bekannte Karasek einmal. Bewirkt habe das die Erfahrung, als Autor selber hart von der Kritik angegangen worden zu sein.

Zwar hatte Karasek bereits in den Sechzigerjahren eine Jugendsendung beim Süddeutschen Rundfunk, bekannt und populär wurde der wortgewandte Plauderer allerdings erst durch das Quartett, wo er ab 1988 neben dem "Literaturpapst" Marcel Reich-Ranicki und der Kritikerkollegin Sigrid Löffler zum langjährigen Stammpersonal gehörte. Ende 2001 wurde das Format nach 77 Folgen und 375 besprochenen Buchtiteln eingestellt.

Als Talkshow-Moderator, -Gast und -Kandidat in Spielshows für den guten Zweck war Karasek auf zahlreichen Medienkanälen präsent und huldigte dem Motto "Eine gute Pointe ist besser als eine schlechte Welt". Die FAZ bezeichnete ihn 2004 daher als "publizistisch schillernden Turbokarpfen im Teich der grauen Hechte".

Tausendsassa des deutschen Zeitungswesens

Seine journalistische Laufbahn begann Karasek bei der Stuttgarter Zeitung, danach war er Theaterkritiker bei der Zeit in Hamburg. Mehr als 20 Jahre lang leitete er das Kulturressort des Spiegels und arbeitete als Drehbuchautor für die 1990 gegründete Fernseh-Tochter des Verlags (Spiegel-TV).

Er schrieb allerdings auch für die Bild-Zeitung und die Illustrierte Bunte. Aufgrund seiner vielfältigen Nebentätigkeiten - u. a. auch als Buchautor - kam es 1991 zum Streit mit dem Spiegel und 1996 zum Bruch, nachdem Karaseks Artikel über Dreharbeiten des Helmut-Dietl-Films "Rossini" abgelehnt wurde mit der Begründung, der Text bleibe weit unter seinem Niveau.

Im Juni 2000 war im Spiegel aber wieder eine Titelgeschichte von ihm zu lesen: "Marlene, Deutschlands ungeliebter Engel", ein Feature über den Film-Mythos Marlene Dietrich.

Bestseller-Erfolg mit Buch über das Altern

Als Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegels kümmerte sich Karasek von 1997 bis 2004 um den Ausbau des Kulturressorts, wo er unter anderem durch anekdotenhafte Kolumnen über Prominente aus der Literatur-, Theater- und Filmszene in Erinnerung blieb.

Anschließend wechselte er zum Axel-Springer-Verlag und arbeitete dort als fester Autor für die Zeitungen Die Welt, Welt am Sonntag, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt. Mit sicherem Blick für das Kuriose und Absurde kommentierte er in den letzten Jahren als Glossist das große und kleine Welttheater.

SZ Espresso Newsletter

Auch per Mail bestens informiert: Diese und weitere relevante Nachrichten finden Sie - von SZ-Autoren kompakt zusammengefasst - morgens und abends im SZ Espresso-Newsletter. Hier bestellen.

Seine Erfahrungen über die Zeit beim Spiegel verarbeitete er in seinem 1998 erschienenen Debütroman "Das Magazin" - nur eines seiner zahlreichen Bücher.

Ein Bestsellererfolg wurde 2006 sein Buch "Süßer Vogel Jugend oder Der Abend wirft längere Schatten", das sich den Problemen des Alterns widmet. Laut Klappentext unternahm Karasek dabei den Versuch, "dem Alter die Altersmilde zu nehmen" und ihm mit Trotz zu begegnen. Seine "erotischen Memoiren" legte Karasek 2009 unter dem eigenwilligen Titel "Ihr tausendfaches Weh und Ach" vor. Kritiker hoben in diesem Zusammenhang auch Karaseks "Mut zur lächerlichen Selbstpreisgabe" hervor. So war es im November 2009 im SZ-Feuilleton zu lesen.

Hang zu Gerücht und Klatsch

Manch altem Weggefährten aus dem linksliberalen Geistesmilieu, in dem Karasek groß geworden war, war seine Medienpräsenz suspekt. Als Literaturliebhaber, so beschrieb die Welt den Publizisten 2009, verlor er nie seine "fast kindliche Freude an der literarischen Überraschung" und hatte obendrein kein Problem damit, seinen "Hang zur populären Kultur, zum Gerücht, zum Klatsch" zu offenbaren.

Am Dienstag ist der Schriftsteller und Literaturkritiker im Alter von 81 Jahren gestorben. Karasek hinterlässt seine Ehefrau Armgard Seegers, Feuilletonredakteurin des Hamburger Abendblatts, sowie vier erwachsene Kinder. Seine Tochter Laura Karasek debütierte 2012 selbst als Romanautorin. Bis ins hohe Alter ging Karasek auf Lesereise und schrieb weiter. Erst 2013 waren zwei Bücher von ihm erschienen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: