Helge Schneiders Schicksalsroman:Silke-Lara aus Schweinfurt

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Es läuft mal wieder überhaupt nichts: Helge Schneiders großer abgeschlossener Schicksalsroman "Liebe im Sechsachteltakt" erinnert an einen durchgezappten Fernsehabend.

Burkhard Müller

Ein Komiker, der ein Buch schreibt, hat es schwer. Er muss sich dafür von so ziemlich allem verabschieden, worauf er seine Wirkungen baut, und gibt den Lesern nur ungefähr so viel in die Hand, wie sie hätten, wenn sie von einem Film ausschließlich das Skript bekämen: die dürre Anweisung auf ein Gebilde, aber auch nicht annähernd dieses selbst. Man muss wohl ein ziemlich eingefleischter Fan von Helge Schneider sein, um sich an "Eine Liebe im Sechsachteltakt - Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork" wahrhaft zu ergötzen.

Schneider gehört, wie Buster Keaton und Karl Valentin, zu den Komikern, die auf das "deadpan" setzen, die völlige Ausdruckslosigkeit bei ihren absurden Aktionen. Aber gerade diese Qualität vermittelt sich auf dem Papier, das ja von vornherein ausdruckslos ist und jeden Unfug duldet, schlecht, viel schlechter als der Gegentypus des Aufgekratzten. Dem Gesicht fehlt was, wenn es unbewegt bleibt, darauf beruht der Kontrasteffekt; dem Blatt nicht, und vom Skurrilen zum Faden ist es da nur ein kleiner Schritt.

"Zwiebeltürme ragten in den von Krähen bevölkerten Novemberhimmel", beginnt es. "Die Stadt atmete schwer ihre letzten Nachttropfen ein, schon schwärmte die Sonne aus, und ihre goldgelbe Natur umheerte den Horizont wie eine nölige Nase ohne Ursprung." Na gut, denkt man sich, doch wie weiter? Denn mit der Poesie der Rätselmetapher kann sich ein Schicksalsroman nicht ewig aufhalten.

Das Schicksal schlägt dann aber folgendermaßen zu: Der gewesene Chefarzt Wolfgang Kollendorf sitzt im Café und weint, weil er erfahren hat, dass seine Lebensgefährtin, die reiche Unternehmerin Angélique Tessier, Selbstmord begangen hat. Nun bricht ihm, dem Trinker, der alles verloren hat, auch der letzte Halt weg. Als er ihr noch offenes Grab in Brisbane / Australien aufsucht, schubst ihn ein Unbekannter hinein.

Es läuft mal wieder überhaupt nichts!

Sein Verfasser Robert Fork lässt ihn versuchsweise einmal vom Auto überfahren, überlegt es sich und rettet ihn, aber dann überlegt er es sich noch mal, und Kollendorf kommt doch unter die Räder - und zwar just in dem Augenblick, als er in der jungen Frau Silke-Lara aus Schweinfurt (der Ortsname Schweinfurt will als autonomes Humorelement gewürdigt werden) wiederum eine große Liebe gefunden hat.

Dazwischen wird viel von Kontinent zu Kontinent geflogen und noch mehr gestorben, mal explodiert die Gasleitung, mal fällt einer vom Pferd und bricht sich das Rückgrat, mal zieht sich die ertappte Erbschleicherin mit einer Rolle rückwärts vom Fenster des zehnten Stocks aus der Affäre; und dazwischen erlebt man immer wieder Kollendorf, den haltlosen Säufer, wie er still vor sich hinweint. Ein echter Knaller also, bei dem sich ein Schneider-Fan auf die Schenkel klatscht und vor Lachen fast erstickt.

Wer Schneider ferner steht, wird eine unglückliche Mitte zwischen Konsistenz und Inkonsistenz der Handlungsführung bemerken. Der Plot hängt gerade genug zusammen, um als Parodie auf einen "Tatort"-Krimi zu langweilen, fällt aber dann doch wieder so weit auseinander, dass man dem, was geschieht, nicht wirklich aufmerksam folgen mag. Das Beste, was sich von diesem Buch sagen lässt, wäre, dass es Mimesis an einen durchgezappten deutschen Fernsehabend treibt, wenn der Daumen lustlos auf der Fernbedienung ruht und man aus vollem Herzen spricht: Es läuft mal wieder überhaupt nichts!

HELGE SCHNEIDER: Eine Liebe im Sechsachteltakt. Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 208 Seiten, 7,95 Euro.

© SZ vom 14.3.2008/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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