"Heiter bis wolkig" im Kino:Rebellisch und todgeweiht

Edda, unheilbar an Krebs erkrankt, ist der rebellische Typus der Todgeweihten: Sie will nicht in Resignation versinken, sondern Grenzen überschreiten. Also prügelt sie sich, wischt ihrer Chefin eins aus - und schockiert den Ex mit einer Bombenattrappe. Jessica Schwarz glänzt in der Tragikomödie "Heiter bis wolkig".

Rainer Gansera

Edda (Jessica Schwarz) war noch nie in eine richtige Rauferei verwickelt - also inszeniert sie eine. Ihren treulosen Ex-Geliebten schockiert sie mit einer Bombenattrappe, und in den Blumenladen ihrer Ex-Chefin treibt sie eine Ziegenherde. Beinahe ein poetische Aktion: wie die schneeweißen Ziegen den Laden stürmen und an den knallroten Rosenblättern knabbern. Ihre kuriosen Racheaktionen setzt Edda mit einem Aufwand an Phantasie und Witz in Szene, wie man ihn sonst höchstens für überschwängliche Liebeserklärungen betreibt. Im Kern sind ihre Provokationen auch genau das: Liebeserklärungen ans Leben. Edda ist unheilbar an Krebs erkrankt, Lymphdrüsenkrebs im Endstadium.

Jessica Schwarz im Kino, Heiter bis wolkig

Jessica Schwarz als Edda und Max Riemelt als Tim in dem Drama "Heiter bis wolkig" von Marco Petry.

(Foto: dapd)

Marco Petrys Tragikomödie "Heiter bis wolkig" ist das staunenswerte Beispiel eines formelhaft angelegten Films, der plötzlich, durch eine toll agierende Darstellerriege, überraschendes Leben und packende melodramatische Gefühlsdichte gewinnt. Der erste Teil der Formel ist das Buddy-Movie mit besonders makaberer Anmachmasche. Wenn die beiden Großkantinenköche Tim (Max Riemelt) und Can (Elyas M'Barek) am Wochenende auf Kneipentour gehen, ernten sie mit ihren abgenudelten Anmachsprüchen nur Spott und Hohn. Also denken sie sich eine Mitleidsnummer aus, die aus Filmen wie "50/50" bekannt ist - und prächtig funktioniert: sie geben vor, sterbenskrank zu sein.

Während man sich noch fragt, ob man das nun witzig oder geschmacklos finden soll, trudelt die Erzählung mit ihr Fake-Tumor-Jokes durch reichlich konventionelles und geschmacklich vermintes Gelände - bis Tim an die naive Marie (süß: Anna Fischer) gerät, deren Schwester Edda tatsächlich sterbenskrank ist. Edda wohnt bei Marie, durchschaut den von heftigen Gewissensbissen heimgesuchten Tim und macht ihn zum Komplizen ihrer rebellischen Exkursionen. Hier wendet sich die Story zum Melo, findet Format und Tiefe.

Die Formel Teil zwei ist das A-few-Months-to-Live-Movie. Ein Genre mit langer Geschichte, von "Love Story" über "Mein Leben ohne mich" bis zu "Halt auf freier Strecke", mit vielen Varianten zwischen Rührseligkeitsschnulze und Memento-Mori-Meditation, in jüngster Zeit besonders beliebt.

Edda ist, ganz klar, der rebellische Typus der Sterbenskranken. Sie will nicht in Resignation versinken, sondern Sehnsüchte auskosten, Grenzen überschreiten. Schon in ihren letzten Filmen ("Das Lied in mir", "Der Mann, der über Autos sprang") konnte Jessica Schwarz ihre Reifung zur nuancenreichen Charakterdarstellerin demonstrieren. Edda nun ist ihr Meisterstück: tief anrührend, immer die so fragile Balance zwischen Komik und Tragik souverän haltend.

Heiter bis wolkig, Deutschland 2012 - Regie: Marco Petry. Buch: Axel Staeck. Kamera: Jan Fehse. Musik: Lorenz Dangel, Tobias Kuhn. Mit: Jessica Schwarz, Anna Fischer, Max Riemelt, Elyas M'Barek, Dieter Tappert, Stephan Luca. Verleih: Constantin Film, 100 Minuten.

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