Heino Ferch:"Kennen die mich nicht?"

Heino Ferch spielt in einem Fernseh-Zweiteiler den Troja-Forscher Heinrich Schliemann. Mit uns spricht er über die Herausforderung der Rolle, sein Image als Held und ganz normale Menschen.

Christopher Keil

Heino Ferch, 43, Sohn eines Kapitäns aus Bremerhaven, wollte als Kind Meeresforscher werden und besuchte das Salzburger Mozarteum, eine Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Seine Magisterarbeit trug den Titel "Chöre im klassischen Drama"'. Dass er nun Heinrich Schliemann spielt, den legendären Troja-Forscher, ist auch die Erfüllung eines jahrelangen Wunsches. Kommenden Montag und Dienstag (jeweils 20.15 Uhr) ist "Der geheimnisvolle Schatz von Troja" bei Sat 1 zu sehen. Für keinen seiner Filme hat sich Ferch, der einer der bekanntesten deutschen Schauspieler ist, so eingesetzt wie für diesen.

heino ferch troja

Eigentlich würde man einen Film über Heinrich Schliemann beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen vermuten. Bei Schliemann geht es um Kultur, Zeitgeschichte, Deutschland und die Welt. Sat 1 hat sich für eine Abenteuerversion entschieden. Hauptdarsteller Heino Ferch kämpfte erst über fünf Jahre für das Zustandekommen des Zweiteilers und dann beim Drehen gegen zu viel Karl May. Angesichts des Titels - "Der geheimnisvolle Schatz von Troja" - ahnt man, wie schwer das gewesen sein muss. Da kann einer schon mal Trost in der Literatur suchen.

(Foto: Foto: Sat 1)

SZ: Herr Ferch, sind Sie ein Schatzsucher?

Heino Ferch: Als ich mit 16, 17 anfing zu tauchen, ist Schatzsuche ein Thema geworden. Während meines Studiums habe ich dann die Leute kennengelernt, die ein Schiff der spanischen Armada in der Karibik geborgen haben. Sie weckten mein archäologisches Interesse.

SZ: Archäologie?

Ferch: Ja. Tal der Könige, Tut-ench-Amun, Ausgrabungen, so was.

SZ: Und die Ilias haben Sie schon zur Abiturszeit gelesen?

Ferch: Aber nur flüchtig, Schliemann wurde damals kurz abgehandelt und auch Homer. Homer kam auf der Schauspielschule zurück. Richtig gelesen habe ich die Ilias erst jetzt zur Vorbereitung auf unseren Film.

SZ: Zur ersten Drehbuchbesprechung für den Zweiteiler "Der geheimnisvolle Schatz von Troja" rückten Sie mit 15 Büchern an. Die Produzentin hatte das Gefühl, sie habe sich schlecht vorbereitet.

Ferch: Es gibt noch viel mehr Material. Der Schliemann-Experte vom Heinrich-Schliemann-Museum in Ankershagen, dem mecklenburgischen Geburtsort Schliemanns, hat bestimmt alles gelesen und wird der Meinung sein, dass unser Film dem geschichtlichen Bild Schliemanns nicht gerecht wird. Über das Presseheft von Sat1 hat er sich bereits in Leserbriefen skeptisch geäußert. Egal. Wir haben einen Spielfilm gedreht und keine Dokumentation.

SZ: Stimmt es, dass Sie den Stoff zum Produzenten und zum Sender getragen haben, dass erst ein kleiner Produzent den Stoff bei Sat1 einreichte, ihm die Umsetzung nicht zugetraut wurde und der Zweiteiler dann bei einem großen Unternehmen landete?

Ferch: Er ist auf dem üblichen produzentischen Umweg entstanden. Richtig ist, dass ich das Projekt angeschoben und in Ariane Krampe (neben Nico Hofmann zweite Geschäftsführerin der Firma Teamworx, d. Red.) sofort eine begeisterte Produzentin gefunden habe. Ich meine: Das ist ein wahnsinniges Abenteuer, authentisch, mit Bildungshintergrund, einem komplizierten Charakter und einer nicht einfachen Liebe, die Schliemann für seine Frau Sophia - eine Griechin, die er kaufte - empfand.

SZ: Klingt kompliziert, klingt ein bisschen so, als müsste ein Zweiteiler über die umstrittene historische Figur Heinrich Schliemann auch umstritten sein, jedenfalls anfänglich.

Ferch: Vielleicht.

SZ: Allem Anschein nach haben Sie sich für noch keinen Film, an dem Sie beteiligt waren, so eingesetzt.

Ferch: Stimmt.

SZ: Warum?

Ferch: Dass jemand mit acht Jahren die Sagen um Hektor, Achilles und Helena als Gute-Nacht-Geschichte kennenlernte, dass er später immer hören musste, dass die Ilias Quatsch sei, er aber daran glaubte, dass er als Kaufmann, der 15 Sprachen lernte, seinen Professorentitel in Rostock kaufte, dass er also sagt: Ich werde als autodidaktischer Archäologe der Welt beweisen, dass ich Troja dort finde, wohin es Homer dichtete, und dass er schließlich genau dort ein Troja fand, ist unglaublich. Obwohl Schliemanns Troja nicht von allen anerkannt wird.

SZ: Warum gab es bislang keine reine Fiktionalisierung dieser Biographie?

Ferch: Es gab vor 25 Jahren eine halbdokumentarische Version mit Thilo Prückner, der Schliemann richtig ähnlich sah. Mein Eindruck ist, dass mit Schliemann, mit seiner Zeit, also mit Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts, dass damit so viel geschichtliches Wissen und politischer Intellekt in Verbindung gebracht wird, dass die Sender befürchten, ihr Zuschauer könne sich dafür nicht interessieren. Stichwort: Schielen auf die Quote.

SZ: Hat Sat1 geschielt?

Lesen Sie im zweiten Teil, warum man in Deutschland gleich ein Action-Darsteller ist, wenn man nur einmal auf einem Pferd sitzt.

"Kennen die mich nicht?"

Ferch: Über Schliemanns Leben kannst du zwölf Filme machen. Seine Stationen in Amerika, in Russland, in Paris, seine Arroganz, sein Chauvinismus, das Zerbrechen an der eigenen Besessenheit. Wir haben im Buch Kompromisse gefunden.

SZ: Und Troja gefunden.

Ferch: Darum geht es. Das Schöne ist doch, dass Schliemann so polarisiert, dass er gegen alle wissenschaftlichen und staatlichen Widerstände das alles überhaupt gemacht hat.

SZ: Sie stellen Schliemann nun mit Brille und in steifer Haltung als Mann dar, der gar nicht so unsympathisch wirkt.

Ferch: Ich wüsste nicht, wo das Sympathische wäre? Wahrscheinlich, weil ich ihn gespielt habe. Keine Ahnung. Ich habe versucht, Eigenwilligkeit und Rücksichtslosigkeit reinzubringen.

SZ: Zuweilen mit Humor.

Ferch: Der Regisseur, Dror Zahavi, wollte Humor. Wir haben ja die Ausgrabungsstätte, Hissarlik, in Brandenburg nachgebaut, und als Dror den Set sah mit den Holztürmen und Holzbrücken, fühlte er sich an die modernen Zorro-Filme erinnert, an die Westernelemente Staub, Kutsche, Pferd.

SZ: Sat1 soll sich sehr eine Indiana- Jones-Variante gewünscht haben.

Ferch: Ich habe sofort gesagt: Ohne mich! Das kann es nicht sein, aber zwei Action-Szenen haben wir trotzdem - den Cliffhanger zwischen Teil eins und zwei.

SZ: Sophia, gespielt von Ihrer französischen Kollegin Melanie Doutey, wird da in einer Kutsche entführt.

Ferch: Sieht toll aus, Melanie sowieso, aber ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das stilistisch passt, obwohl wir vom Look ein klassisches Abenteuer geschaffen haben. Ich hätte es gerne härter gespielt und habe in der deutschen Synchronfassung auch ein paar härtere Töne angeschlagen. Aber selbst um das bisschen Härte in den Dialogen musste ich sehr kämpfen.

SZ: Bei wem?

Ferch: Beim Regisseur auf alle Fälle nicht.

SZ: Bedauern Sie, dass dieser große Stoff nicht im öffentlich-rechtlichen Programm läuft, wo man Historisches gerne in Dramen serviert? Schliemann ist ja klassisch ARD/ZDF: Kultur, Zeitgeschichte, deutsch.

Ferch: Stimmt. Man würde Schliemann eigentlich sofort dort hintragen. Oder zu Arte.

SZ: Oder auf die Bühne.

Ferch: Großartig.

SZ: Schliemann ist ein physischer Film mit einer mächtigen Optik geworden. Ihre nächste Fernsehrolle, die Dreharbeiten beginnen im April, wird eine Vaterrolle sein in dem ZDF-Auftrag Das Wunder von Berlin. Ihr Sohn ist NVA-Soldat, vor allem ist er 21 Jahre alt. So eine Rolle hatten Sie noch nie. Sie sind inzwischen 43, steigt mit dem Alter die Wandlungsfähigkeit?

Ferch: Wenn man einmal auf dem Pferd sitzt, ist man in Deutschland gleich ein Action-Darsteller. Mir ist das in den vergangenen Monaten aufgefallen, in Veröffentlichungen oder Bildunterschriften wurde ich als Action-Star bezeichnet. Wieso? Kennen die meine Filme nicht?

SZ: Immerhin können Sie reiten.

Ferch: Ein Glück für den Produzenten. Regisseur und Kameramann können nebenherfahren und kriegen tolle Bilder von einem echten Schauspieler, nicht einem Stuntman. Ich hätte lieber mehr Homer rezitiert. Dass ich Lengede, Tunnel, Luftbrücke, Napoleon gemacht habe, legt mich doch nicht auf die Heldenrolle fest. Zu Ihrer Frage noch: Es stimmt natürlich, alle sagen, dass man zwischen 40 und 50 als Schauspieler das größte Spektrum bedienen kann.

SZ: Wenn es Sie mittlerweile ärgert, dass nur wenigen sofort einfällt, welche anderen Typen Sie gespielt haben, nämlich psychisch Labile, Sensible, Verzweifelte in zum Teil herausragenden Filmen wie Der Anwalt und sein Gast oder Das Konto, dann dürften Sie Schliemann in genau so einer Produktion künftig nicht mehr spielen, weil das als Erlebnisprogramm eindeutig auf Masse setzt.

Ferch: In der Tat versuche ich jetzt verstärkt, kleinere Menschen zu spielen, ordinary people. In der nächsten Woche beginne ich mit Martina Gedeck ein Ensemblestück. Es geht um eine Frau, die drei Kinder von drei verschiedenen Männern hat. Ich bin ihr Mann, ein Psychologe, bringe ein eigenes Kind ein, das heißt, wir leben mit vier Kindern aus vier verschiedenen Beziehungen. Und nun kommen alle Väter und die eine Mutter dieser Kinder zusammen, um ein traditionelles Weihnachten zu feiern. Vanessa Joop inszeniert das fürs Kino, ich freue mich besonders, mit X-Filme (Produzenten von "Good Bye, Lenin!", "Alles auf Zucker!", d.Red.) zusammenzuarbeiten.

SZ: Vier Kinder, vier Väter, ein interessanter Fall für die Familienministerin.

Ferch: Grundlage ist ein bitterböses schwedisches Drehbuch. Es erinnert mich einerseits an die Dogma-Filme, andererseits an Woody Allens neurotische Großstadtbeobachtung: Man sitzt im 20. Stock, Central Park West, friedlich zusammen, bis mit zunehmendem Alkoholverzehr das schöne Gefüge zerfällt in hässliche kleine Betrügereien und Demütigungen.

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