Süddeutsche Zeitung

Heideggers Antisemitismus:Schwarze Kabale

Ein neues Buch ist in Italien erschienen über die Schwarzen Hefte und den Antisemitismus Heideggers von der Philosophin Donatella Di Cesare. Ein deutscher Heidegger-Herausgeber hat darauf auf ganz eigene Weise reagiert.

Von Thomas Meyer

Eine Zeitung veröffentlicht eine Buchbesprechung. Ein Leser antwortet dem Rezensenten. Soweit, so uninteressant. Wenn es aber um Martin Heidegger und seine sogenannten "Schwarzen Hefte" geht, dann wird leicht aus der Mücke ein Elefant.

Was war geschehen? Am 7. Mai veröffentlichte die Mailänder Zeitung Libero eine Besprechung der neuen Heidegger-Monografie von Donatella Di Cesare. Die in Rom lehrende Philosophin legt darin eine umfassende und bereits kontrovers diskutierte Bewertung von Heideggers philosophischem Antisemitismus vor. Drei Wochen später kam Libero auf das Thema zurück. Die Zeitung wusste nun durch ihren Rezensenten von einem Brief des 81jährigen Freiburger Philosophieprofessors Friedrich-Wilhelm von Herrmann zu berichten, in dem der ehemalige Privatassistent Heideggers und Berater, Mitherausgeber und Kommentator der "Gesamtausgabe", seinen früheren Doktoranden und nunmehrigen Editor der "Schwarzen Hefte", den Wuppertaler Philosophen Peter Trawny, scharf angreift.

Von Herrmann drohte, Trawny die Verantwortung für die Herausgabe der "Schwarzen Hefte" zu entziehen, und unterstellte seinem Schüler, mit der Publikation rein pekuniäre Interessen zu verfolgen. Inhaltlich seien dessen Arbeiten ohnehin nicht satisfaktionsfähig. Doch weder hat von Herrmann die rechtlichen Möglichkeiten, seinem Schüler die Edition der "Schwarzen Hefte" zu untersagen, noch ist er aktiver Teil der aktuellen weltweiten Diskussion um das philosophische Werk Martin Heideggers. So liegt der V erdacht nahe, von Herrmann könne es nicht verwinden, dass die von ihm seit 1976 mitverantwortete "Gesamtausgabe" nun einen Heidegger ans Tageslicht befördert, den gerade diese Edition lange Zeit zu verbergen suchte. Die seit 2014 erscheinenden Aufzeichnungen Heideggers erweisen nahezu sämtliche, über viele Jahrzehnte aufgebauten Strategien, den Philosophen vor dem Vorwurf des Antisemitismus zu schützen, als Wunschdenken.

Die gute Nachricht an dieser Kabale, die seit einigen Tagen auch in Deutschland öffentliches Interesse findet, ist die, dass Donatella Di Cesares Buch "Heidegger und die Juden" demnächst im Frankfurter Verlag Vittorio Klostermann erscheinen wird und die seriöse Diskussion damit neue Nahrung erhält. Und Peter Trawny wird Herausgeber der "Schwarzen Hefte" bleiben. Im selben Verlag.

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Quelle:
SZ vom 26.06.2015
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