Süddeutsche Zeitung

Hegemann im Theater:Total missbraucht

Ein Berliner Theater parodiert gemeinsam mit Helene Hegemann die Debatte um ihren Roman - eine gut gelaunte Trash-Inszenierung.

Peter Laudenbach

Lange nichts von Helene Hegemann gehört. Selbst Hegemanns Brief an ihre Kritiker ("ihr seid alle Wichser"), den das Zeit-Feuilleton Anfang Mai druckte, konnte den Hegemann-Hype nicht wieder anfeuern. Still schien sie samt ihrem Roman "Axolotl Roadkill" und den Plagiats- und Authentizitäts-Debatten von der Bildfläche verschwunden zu sein.

Nun aber plündert die Berliner Puppentheater-Truppe "Das Helmi" in Zusammenarbeit mit ihr die Reste der Hegemann-Feuilleton-Festspiele des Frühjahrs für eine gut gelaunte Trash-Inszenierung.

Genau das scheint eine der vordringlichsten Aufgaben im Selbstverständnis vieler Theaterleute zu sein: Das, was ohnehin schon in allen Medien und auf allen Kanälen durchgekaut wurde, noch einmal auf der Bühne zu recyceln, um so Zeitgenossenschaft zu behaupten. Erfreulicherweise nehmen die Helmis dabei weder sich noch die so genannte Debatte übertrieben ernst. Der Titel ihrer launigen Hinterhof-Show ist gleichzeitig Parodie und sinnfreies Plagiat von Hegemanns Buchtitel: Aus "Axolotl Roadkill" wird "Axel hol den Rotkohl".

Im Ballhaus Ost, mitten im Hegemann-Kiez Berlin Mitte, wo es schon als Hipness-Beweis durchgeht, sich überwiegend mit der eigenen Verwirrtheit zu beschäftigen, reduzieren die Helmi-Puppen die Feuilleton-Schlachten zum Kinderzimmer-Spaß.

Ein Chor der leicht vertrottelt wirkenden Kritiker und Blogger marschiert zu Beginn des Stückes auf und spielt Kulturkritik in der Comic-Variante: "Du hast das alles gar nicht erlebt! Wir sind authentisch! Wir waren im Berghain und haben im Darkroom den Arsch hingehalten! Wir sind die Hochkultur."

Ein schönes Feindbild ist immer eine feine Sache. Aber auch das übrige Personal der Show macht einen derangierten Eindruck. Der Berghain-Türsteher: Ein menschen- und drogenfressender Mülleimer. Hegemanns Roman-Alter-Ego Mifti: Eine schielende Schaumstoffpuppe im blauen Kleid, die dauernd verdrehtes Zeug von sich gibt: "Ich bin total zu Tode missbraucht! Meine Mutter ist Patti Smith, mein Vater ist Iggy Pop".

Beschwingter wurden heißgelaufene Feuilleton-Debatten selten entsorgt und auch als Resozialisierungsmaßnahme scheint der Abend zu funktionieren: Am Ende verbeugt sich eine dem Hype offenbar gut gelaunt entkommen Helene Hegemann zusammen mit den Performern.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2010/rus
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