Süddeutsche Zeitung

Hausgeschichte:Vom Kundgebungssaal zum Nachtclub

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Die Nazis stellten das Kongressgebäude am Deutschen Museum für ihre Zwecke fertig. Danach spielte dort oft Musik die Hauptrolle

Von Henrik Oerding, München

Mächtig steht an der Münchner Ludwigsbrücke der kantige Kongressbau des Deutschen Museums, sehr rechtwinklig und ein wenig einschüchternd. Nach der Einweihung des Sammlungsbaus 1925 war er Teil des nächsten Plans von Museumsgründer Oskar von Miller: Ein Studienbau mit Kongresshalle und Bibliothek sollte das Museum ergänzen. Der Münchner Architekturprofessor German Bestelmeyer bearbeitete die ursprünglichen Pläne von Emanuel von Seidl und passte sie dem geradlinigen Architekturgeschmack der Zeit an.

1928 folgte die Grundsteinlegung mit Reichspräsident Paul von Hindenburg, 1935 wurde der Kongressbau eröffnet. Das Gebäude passte den Nationalsozialisten in ihren Plan von München als "Hauptstadt der Kunst und der Bewegung", sie brauchten es für ihre Kundgebungen. Direkt nebenan in der Bibliothek fand 1937 die antisemitische Ausstellung "Der ewige Jude" statt, auch wenn das Deutsche Museum keine inhaltliche Verantwortung trug. Während des Zweiten Weltkrieges spielte die bayerische Staatsoper zwischenzeitlich im Kongresssaal, im Juli 1943 zog die nationalsozialistische Bautruppe "Organisation Todt" in das Gebäude. Gegen Ende des Krieges trafen Fliegerbomben das Museum. 80 Prozent des Gebäudes wurden zerstört.

Mit dem Einzug der Amerikaner in München am 30. April 1945 begann ein neues Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Gebäudes: Die amerikanische Militärregierung nutzte den instandgesetzten Kongresssaal von September 1945 bis Februar 1947 als "Jubilee Hall" für die Truppenbetreuung mit Sport- und Varieté-Veranstaltungen. Aber auch die Münchner Philharmoniker konnten dort von 1946 an wieder spielen. In der Folgezeit wurde der Saal als Veranstaltungsort für Konzerte genutzt - für Klassik wie für Rock'n'Roll oder Jazz. Jimi Hendrix trat hier auf, ebenso Sammy Davis Jr. und The Who. Wegen "Ausschreitungen" von Jugendlichen bevorzugte man aber gesetztere Besucher.

Aber auch das Klassik-Publikum war nicht zufrieden: Die 1948 fertiggestellte Orgel sei schlecht und auch die Akustik ließ die Konzertbesucher unbefriedigt zurück - somit der Beginn der Akustikdebatte, die bis heute das Münchner Konzertleben prägt. 1985 wurde der Gasteig in direkter Nachbarschaft eröffnet, und der Kongresssaal wurde für Konzerte obsolet. In der Folge wurde 1989 das Gebäude privatisiert und zu einem "Forum der Technik" umgestaltet - dort eröffnete neben einem Planetarium das erste Imax-Kino in Deutschland. Das Kino ging insolvent, ein neuer Betreiber wurde gefunden, ein 3D-Kino eingerichtet, aber auch das rentierte sich nicht. 2010 kauft das Deutsche Museum das Kongressgebäude für drei Millionen Euro zurück. Der damalige bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) setzte sich dafür ein, dass hier Münchens neuer Konzertsaal entsteht - doch aus den Plänen wurde nichts, der Konzertsaal soll ins Werksviertel.

Stattdessen entschied man sich an der Isar für eine Zwischennutzung: Im Frühjahr 2017 eröffnete hier das "Blitz", sowohl ein vegetarisches Restaurant wie auch ein Club. Der ist für den allerbesten Klang optimiert, die extrem aufwendige und ausgefeilte Anlage soll das intensivste Musikerlebnis garantieren. Und so klingt sie auch, wenn die elektronischen Beats aus den Lautsprechern kommen: Mächtig und raumergreifend, hier muss man tanzen. "Die Idee war von Anfang an einen wirklichen Tanzmusikclub zu bauen", sagt Branimir Peco, einer der Mitbetreiber des Clubs und selbst Electronikmusiker. Bis 2022 läuft der Vertrag, danach dürfte es nach seiner Vorstellung gerne weitergehen. Auch wegen der Geschichte des Ortes: "Wir glauben, dass es nichts Besseres gibt als tanzende und glückliche Leute, um die Geister hier zu vertreiben." Denn Bass ist Macht.

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SZ vom 07.06.2019
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