Weinstein vs. Polanski:Freunde des fiesen Wettbewerbs

Lesezeit: 2 Min.

Man wolle ein Monster aus ihm machen, so Roman Polanski. (Foto: dpa)

Roman Polanski äußert sich zu aktuellen Vorwürfen wegen sexueller Belästigung - und wettert gegen Harvey Weinstein. Mit Dreck zu werfen, um zu gewinnen, gilt auch für Hollywood.

Kommentar von Susan Vahabzadeh

Die zwei nicht enden wollenden Skandale innerhalb der Filmbranche sind der um den Filmproduzenten Harvey Weinstein und jener um den Filmregisseur Roman Polanski. Harvey Weinstein macht derzeit Schlagzeilen, weil sein Zivilprozess voraussichtlich in einem Vergleich endet, bei dem er selbst gar nichts zahlen muss. Pünktlich zum Start von Roman Polanskis neuem Films "Intrige" in Frankreich im November erschien eine neue Anschuldigung gegen ihn - die Fotografin Valentine Monnier sagt, er habe sie 1975, als sie noch als Modell arbeitete, vergewaltigt und geschlagen. In Frankreich hat es Proteste vor Kinos gegeben, in denen Polanskis Film lief, manche Filmtheater haben ihn aus dem Programm genommen.

Polanski hat sich nun im Magazin Paris Match zum ersten Mal zu den Vorwürfen geäußert - man versuche, aus ihm ein Monster zu machen; er sei für seine Lage schon irgendwie selbst verantwortlich, des alten Falles wegen; aber er weist die neuen Vorwürfe als "absurd" zurück und beteuert, er schlage keine Frauen. Es sei leicht, jemanden einer Tat zu beschuldigen, die verjährt ist und definitiv nicht in einem Prozess verhandelt werde, der ihn entlasten könnte.

Das kann man wenig überraschend finden - Weinstein etwa leugnet alle der mehr als achtzig Beschuldigungen gegen ihn. Polanski hat allerdings in jenem Fall, der tatsächlich vor Gericht ging, gestanden. Das ist der Fall der damals 13-jährigen Samantha Geimer, die er 1977 vergewaltigt hat, wohlgemerkt: nicht haben sollte, sondern hat. Die Darstellung von Geimer und Polanski ist in weiten Teilen deckungsgleich. Ein Urteil gibt es nicht, der Richter kündigte den Deal auf, den Staatsanwalt und Verteidiger vereinbart hatten. Polanski setzte sich nach Europa ab. Der Rest ist Geschichte.

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Kurz vor dem Strafprozess gegen Harvey Weinstein soll sich sein Studio mit Dutzenden Frauen geeinigt haben. Laut "New York Times" geht es um einen 25-Millionen-Dollar-Deal, selbst bezahlen muss Weinstein aber nichts.

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Überraschend ist allerdings, dass Polanski in dem Interview mit Paris Match erstmals ausspricht, wem er die Schuld daran gibt, dass der Fall von 1977 nicht zur Ruhe kommt: Harvey Weinstein! Da liegt erst einmal der Verdacht nahe, dass die Debatte um sexuellen Missbrauch in der Filmbranche in ihre "Godzilla vs. King Kong"-Phase eingetreten ist.

Polanskis Bemerkung über Weinstein ist aber tatsächlich interessant. Vor der Oscar-Abstimmung von 2003 wurde über den alten Polanski-Fall wieder geredet, in all seinen Details. Wer hat wann was getan? Und Polanski sagt nun, diese Kampagne gegen ihn habe Harvey Weinstein begonnen. Warum? Es gab bei den Oscars drei Favoriten - Polanskis Holocaust-Drama "Der Pianist", das Musical "Chicago" und Martin Scorseses "Gangs of New York". Die beiden letzteren waren Weinsteins Produktionen. Weinstein war bei den Oscars kein Freund des fairen Wettbewerbs, darüber ist viel geschrieben worden - seit er nicht mehr alle Berichte über ihn unterdrückt, die ihm nicht passen.

Damals gab es durchaus das Gerücht, dass die Wiederauferstehung von Polanskis Fall in den Medien das Werk von Weinstein gewesen sei. Beweisen konnte das natürlich niemand.

Die Leidtragende war jedenfalls, wieder einmal, Samantha Geimer, die später in ihrem eigenen Buch "The Girl" versuchte, ausführlich zu erklären, wie das 1977 war und auch 2002, wenn sie immer wieder mit den intimsten Details einer Episode ihres Lebens konfrontiert wurde, die sie eigentlich gern überwinden würde. Rücksichtlos auf dem Leben einer Frau herumtrampeln, die ohnehin ihr Päckchen zu tragen hat - nur wegen eines Oscar-Rennens? Das wäre gemein, klingt aber nicht abwegig. Mit Dreck zu werfen, um zu gewinnen - das wirkt doch eigentlich alltäglich. Nicht nur in Hollywood, sondern überall.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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