Süddeutsche Zeitung

Neue Cover für Harry Potter:Es ist Magie

Der Designer Michele De Lucchi gestaltet die italienischen Harry-Potter-Bücher neu. Ohne Nickelbrille. Mit Architektur.

Von Gerhard Matzig

Es gibt "The Wizarding World of Harry Potter" als Themenpark in Orlando. Dort kann man Butterbier im "Three Broomsticks" trinken. Es gibt Harry Potter aus Lego, als Hogwarts-Sandburg-Wettbewerb, als Tattoo und als Muggel-Quidditch. Das hat man einmal erlebt im Central Park in New York, wo man aus dem Lachen nicht mehr herauskam. Die erdnah dahinhömpelnden Jäger des goldenen Schnatzes auf ihren Discount-Besenstielen sahen jedenfalls eher nach Sauberwisch als nach Nimbus 2000 aus.

Dass man auch Leute treffen kann, die Gleis neundreiviertel für mindestens so existent halten wie die satanische Bill-Gates-Verschwörung: geschenkt. In einer Welt, in der auch das russische Plagiat namens Tanja Grotter als gendergerechtes Double ein Auskommen hat, gibt es nichts, was es nicht gibt. Harry Potter dürfte die bekannteste Figur des Universums sein. Was auch an den mittlerweile mehr als 500 Millionen Büchern liegt, die im Prinzip immer eines auf den Cover zeigen: einen Jungen mit Nickelbrille und blitzförmiger Narbe auf der Stirn.

Die hat Du-weißt-schon-wer dort hinterlassen. Wobei die Frage - wer denn? - zu den Dingen gehört, die Michele De Lucchi komplett uninteressant findet. Nicht dass der ebenfalls nicht ganz unbekannte italienische Architekt und Designer, Mitbegründer von Alchimia und der Memphis-Gruppe kein Harry-Potter-Fan wäre. Als er aber jetzt die Neugestaltung der italienischen Cover für Salani Editore übernahm, muss er sich daran erinnert haben, dass er ja auch selbst Alchimist ist. Ein Magier des Raumes. Fast tolldreist hat er deshalb (zusammen mit seinem Studio AMDL Circle, illustriert von Andreas Rocha) den ikonisch gewordenen Coverboy der letzten Jahrzehnte, Harry Potter, mal eben verschwinden lassen. Was wohl die Fangemeinde dazu sagt? Und die Dursleys erst?

Die Bücher zeigen eine etwas andere Magie: die der Architektur und der Baugeschichte. So sieht Hogwarts einmal aus wie die Sagrada Família, also wie Antoni Gaudís Kathedralentraum in Barcelona. Oder wie eine gotische Kirche in Italien. Es gibt auch Motive mit hochhausartiger Architektur (Askaban). In "Harry Potter und der Orden des Phönix" erinnert die Hütte an Hagrids Bleibe. Manches, was etwa in den Filmen banal erscheint, wird auf den neuen Covern zum besonderen Ort umgedeutet. Wobei die Brücke auf dem Cover von "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" an die morphologisch geformte "Friedensbrücke" erinnert, die De Lucchi in Tiflis entworfen hat. Man könnte das egozentrisch nennen, aber wer ihn kennt, weiß: De Lucchi geht es darum, dass die Welt immer eine des transformatorischen Raumes ist. Architektur ist genau die Magie, die man braucht, um eine bessere Welt zu erschaffen. Wie Harry Potter aussieht, weiß man ja nun.

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