Harrison Ford zum 70.:Mann fürs Praktische

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"Indiana Jones" Harrison Ford wird siebzig. Seine Filmkarriere hat er einem Job als Schrankbauer zu verdanken - und seinem unbeirrbaren Gespür für idiotische Komik. Von der Menschlichkeit eines Durchschnittstypen, der das ganze Leben als Zumutung begreift.

Tobias Kniebe

Im Grunde reicht eine winzige Szene, um diesen Mann zu erklären - und seine besondere Gabe, die ihn für so viele Jahre zum Helden der Kinokassen gemacht hat. Sie stammt aus "Jäger des verlorenen Schatzes": Harrison Ford hetzt als Indiana Jones durch Kairo - offenes Hemd, Hut, Peitsche. Im Marktgewusel wird er von einem arabischen Kämpfer gestellt, die Ägypter bilden einen Kreis, ein Showdown steht an. Und mit der ganzen Theatralik des Orients lässt der Angreifer im schwarzen Turban seinen Krummsäbel kreisen . . .

Harrison Ford in seiner größten Rolle - als Archäologe "Indiana Jones" auf der Jagd nach Abenteuern. (Foto: dapd)

Fords Gesicht zeigt Angst, Anspannung, Entschlossenheit - und verschiebt sich dann leicht, hin zu einem Ausdruck, den man nur als "Lass mich doch in Ruhe mit dem Scheiß" beschreiben kann. Trocken greift er zur Pistole im Holster, schießt - und wendet sich schon ab, bevor der Araber fünf Meter entfernt zusammenbricht.

Eine seiner lustigsten und berühmtesten Szenen - und ein Aufblitzen der Wahrheit inmitten von Genrekino, Stuntexzessen, Schurkenklischees um ihn herum. Ford hatte schlichtweg Durchfall, als damals in Tunesien gedreht wurde, er hatte keine Lust auf ein elaboriertes Duell - und Steven Spielberg, der Regisseur, ließ sich von seiner ultrapragmatischen Minimallösung überzeugen.

Pragmatismus, Common Sense und die Menschlichkeit eines Durchschnittstypen, der das ganze Leben im Grunde als Zumutung begreift: Das sind die Wesenszüge, die Harrison Ford in all seine Filme mitbringt. Geboren 1942 in Chicago als Sohn eines Werbemannes, zog es ihn immer schon zu den praktischen Dingen. Er war ein hochdekorierter Pfadfinder, ein Sportreporter im College - und als es Mitte der Sechzigerjahre in Los Angeles mit der Schauspielkarriere nicht recht losgehen wollte, brachte er sich selbst das Tischlern bei, um seine Familie zu ernähren.

Ein Auftrag als Schrankbauer beim künftigen Großmogul George Lucas verschaffte ihm eine Rolle in "American Graffiti", vier Jahre später war er dann Han Solo in "Star Wars". Da durfte er als Söldner und Pilot die Galaxis durchstreifen, Prinzessin Leia als Zumutung begreifen - und jede Form des wohlfeilen Heroismus sowieso.

Natürlich hat er andere große Filme gedreht, "Blade Runner" für Ridley Scott, Peter Weirs "Mosquito Coast" und "Der einzige Zeuge", Roman Polanskis "Frantic" - aber wer einmal Han Solo oder Indy war, bleibt es dann doch für immer.

Und warum auch nicht - wenn so tolle Momente dabei herauskommen wie die komische Reprise der Krummsäbelszene in "Indiana Jones und der Tempel des Todes"? Da attackieren ihn plötzlich zwei machetenschwingende Inder, er greift wieder eiskalt zum Holster - und die Pistole fehlt. Den Ausdruck aus Unglauben, Überraschung und einem Hauch von idiotischer Komik, den Harrison Ford in diesem Moment hinbekommt - der ist mit allen Millionen Hollywoods nicht zu bezahlen.

© SZ vom 13.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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