Hardy Krüger wird 90:Ein politisch hellwacher Mann

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Am Beginn einer Karriere - Hardy Krüger in den Fünfzigerjahren. (Foto: imago/United Archives)

Hardy Krüger brachte neues deutsches Selbstbewusstsein und Selbstkritik ins Nachkriegskino. Bis heute warnt er vor dem Rückfall in dumpf-totalitäres Denken. Eine Würdigung zum 90. Geburtstag.

Von Fritz Göttler

Die jugendliche Patzigkeit ist besonders charmant bei ihm, er hat sie sich bis ins Alter bewahrt. Er kaut an seinen Sätzen, als wollte er sie am liebsten gar nicht aus dem Mund lassen. Er verleiht ihnen einen Touch von Tiefgründigkeit und ironisiert sie zugleich - bevor sie ins Klischee abrutschen können. Frech redet er in "Blind Date", einem frühen Film von Joseph Losey, den Inspektor an, der ihn wegen Mordverdachts befragt, er ist ein junger Maler, der durch London tänzelt und durch das üppige Boudoir der Frau, die er liebt, Micheline Presle, die viel älter ist als er und viel berechnender. Eine Femme fatale, ein Film noir in London, das schon alle swingenden Züge der Sixties trägt.

Hardy Krüger, der an diesem Donnerstag neunzig wird, ist ein politisch hellwacher Mann, schon der Erfahrungen seiner Jugend im Nationalsozialismus wegen - die Eltern bedingungslose Hitlerverehrer, die Schulzeit in einer Eliteschule in Sonthofen, eine ganz frühe Rolle im Fliegerfilm "Junge Adler". Der Kollege Hans Söhnker hat ihn dann aufgeklärt über die Brutalität des Regimes, und als Hardy gegen Kriegsende eingezogen wurde, hat er einen Tötungsbefehl verweigert. Bis heute warnt er vor dem Rückfall in dumpf-totalitäres Denken, erzählt in Schulen immer wieder die Geschichte der eigenen Jugend.

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Im deutschen Kino war es in den Fünfzigern fast unmöglich, sich als junger Typ zu profilieren, nur selten hat Hardy Krüger in seinen Rollen eine Method-Actor-Zerrissenheit geschafft ("Gestehen Sie, Dr. Corda", 1959, von Josef von Báky) oder eine Nouvelle-Vague-Leichtigkeit ("Zwei unter Millionen", 1961, von Victor Vicas und Wieland Liebske). International könnte man seinen Prestige- und Marktwert in den Fünfzigern irgendwo zwischen William Holden und Montgomery Clift ansetzen. Der rührige, immer innovative Otto Preminger drehte 1953, um das abnehmende Interesse des deutschen Marktes an Hollywoodprodukten auszugleichen, seinen Film "The Moon Is Blue" gleichzeitig in einer englischen wie in einer deutschen Fassung. In der einen spielt William Holden den jungen, verliebten Helden, der auf der Besucherplattform des Empire State Building sich in ein Mädchen verliebt, Maggie McNamara. In der deutschen Fassung "Die Jungfrau auf dem Dach" sind Hardy Krüger und Johanna Matz das Paar (und man sieht sie kurz in der englischen Version als Besucher auf der Plattform). 1959 wollte Helmut Käutner für den Helden seines lang gehegten "Der Rest ist Schweigen" eigentlich Montgomery Clift haben, neben Marlene Dietrich und Gustaf Gründgens, Die drei sagten schließlich ab, Käutner nahm Hardy Krüger als müden Heimkehrer für sein Drama einer Industriellenfamilie im Nachkriegsdeutschland, frei nach Shakespeare. Hardy Krüger als Hamlet.

Mit der ganz großen internationalen Karriere ist es dann nichts geworden

Ein Zauderer, das ist freilich eine ungewöhnliche Rolle für ihn, und in manchen Momenten sieht man ihm an, dass ihm das sogar Spaß macht. Lieber war er einer, der durchstartet, der sich durchsetzt, wie der Oberleutnant von Werra, in dem britischen Film "Einer kam durch", blond und blauäugig, ein im Weltkrieg abgeschossener Pilot, dem die Flucht aus britischer Kriegsgefangenschaft gelang. Das Einzige, woran von Werra glaubt, sagt ein britischer Offizier in dem Film, ist von Werra.

Ein neues deutsches Selbstbewusstsein, gemischt mit Selbstkritik, das ist die Formel für Hardy Krügers Figuren. Ein paar Jahre nach Hamlet kam "Hatari!", von Howard Hawks, eine der schönsten Männerabenteuerfantasien der Filmgeschichte. Eine Großwildjägercrew in Tanganjika, die für einen europäischen Zoo alle möglichen Tiere fängt, Affen und Giraffen und ein wütend zustoßendes Nashorn. An der Spitze John Wayne, Hardy Krügers Name kommt im Vorspann gleich an zweiter Stelle. Er ist Kurt Müller, ehemaliger Rennfahrer, und einmal darf er der jungen Brandy bei den Trägern ihres Kleides helfen und nestelt mit großem technischen Ernst herum, er liebt sie natürlich, aber sie leitet die Fängerstation, nach dem Tod ihres Vaters, sie ist der Boss. Eine erste, von Howard Hawks subtil inszenierte Altersrolle.

Mit der ganz großen internationalen Karriere, wie sie nach "Hatari!" möglich erschien, ist es dann nichts geworden. Hardy Krüger spielte in einigen französischen Beziehungsfilmen, er wurde geholt, wenn man für große Weltkriegsopern einen deutschen Offizier brauchte, bastelte mit seinem Freund Joe Losey an einigen Projekten herum und folgte der Aufforderung des Freundes Stanley Kubrick, in dessen "Barry Lyndon" eine Rolle zu übernehmen. Und war offensichtlich so stark fasziniert von der Schönheit Afrikas, dass er sich dort eine Farm kaufte und auf ihr lebte. Er machte den Pilotenschein, drehte Reisefilme fürs Fernsehen, "Hardys Bordbuch", und fing an, Bücher zu schreiben.

Mit dem neuen Selbstbewusstsein hat am schönsten Robert Aldrich gespielt, in seinem "Flug des Phönix", über eine Gruppe Passagiere, die nach einem Flugzeugabsturz in der Wüste gestrandet ist, ohne Kommunikation mit der Außenwelt. Hardy Krüger ist ein deutscher Ingenieur, der überzeugt ist, er könne die Gruppe retten. Er baut ihnen aus den Trümmern der Maschine ein neues Fluggerät zusammen und erstickt jeden Ansatz von Resignation und Verzweiflung im Keim. Im Zusammenspiel mit dem alten Kapitän, James Stewart, hat Hardy Krüger strenge, starke Momente. Ein trockener, eigentlich amerikanischer Pragmatismus, der so genregemäß wie absurd ist, und in dem immer noch ein Rest Herrenmenschentum steckt. Nur die Grundlagen sind nun anders, gegen Ende stellt sich heraus, die Maschinen, die der Ingenieur sonst im Beruf konstruiert, sind - Spielzeugflieger.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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