Hans Traxler zum 80. Geburtstag:Cartoon-Teufel Hans

Erfinder der "Kohl-Birne", Entdecker der "Wahrheit über Hänsel und Gretel", Mitgründer von Titanic: Satiriker Hans Traxler ist ein freundlich-unerbittlicher Chronist des alltäglichen Schwachsinns.

Heribert Prantl

Wenn man wissen will, wie und warum er der malerischste und feinsinnigste deutsche Satiriker geworden ist, muss man in Regensburg ansetzen: Nach dem Krieg verschlug es den Sohn eines Land-Gendarmen aus seiner randböhmischen Heimat an die Donau. Akademieprofessor Max Geyer nahm den jungen Hans in Regensburg unter seine Fittiche, er hieß ihn die Gipsstatue des Diskuswerfers von Myron zeichnen und, in Sepiakreide, die 82 Bewegungen des menschlichen Arms. Das schlauchte und übte: Leichtigkeit der Handschrift durch harte Fron.

Hans Traxler zum 80. Geburtstag: Der malerischste und feinsinnigste Satiriker Deutschlands: Hans Traxler. Fotografiert Anfang Mai auf der Caricatura-Ausstellung in Frankfurt.

Der malerischste und feinsinnigste Satiriker Deutschlands: Hans Traxler. Fotografiert Anfang Mai auf der Caricatura-Ausstellung in Frankfurt.

(Foto: Foto: dpa)

In Regensburg lebte auch ein Briefmarkenhändler aus Wien, der allerlei Zeitschriften herausgab, unter anderem die Wiener Melange. Zur Unterhaltsaufbesserung, weil die 38 Mark Waisenrente nicht hinreichten, illustrierte Traxler Kurzgeschichten. Und weil der Melange-Leser den Eindruck haben sollte, das Magazin beschäftige fünf Illustratoren, musste Traxler in fünf verschiedenen Stilen arbeiten.

Ein Freund riet ihm zum Umzug ins Hessische. Frankfurt am Main werde wohl bald Bundeshauptstadt werden, viele wichtige Buch- und Zeitungsverlage säßen dort, dort sei es leichter, das tägliche Brot zu verdienen. Frankfurt ist dann zwar nicht Hauptstadt geworden, aber Traxler ist in Frankfurt geblieben, weil er ja dort, was er anfangs noch nicht wusste, die "Neue Frankfurter Schule" gründen musste, die Satirezeitschriften Pardon und Titanic mit aus der Taufe heben und Helmut Kohl als Birne zeichnen.

Ausgrabung des Hexenhauses

In Regensburg freilich hatte Traxler sein erstes prägendes, seine Weltsicht veränderndes, und sein Werk tief beeinflussendes Erlebnis mit den Autoritäten. Als es bei seiner Mutter ans Sterben ging, alarmierte Traxler als christkatholischer junger Mann natürlich den Pfarrer, der die letzte Ölung erteilen sollte. Der Geistliche von Sankt Emmeram saß gerade beim Abendessen und wollte sich dabei vom atemlosen Hans und seiner sterbenskranken Mutter nicht stören lassen. Der Pfarrer blickte kurz vom Essen auf und meinte ungerührt: "Mein Sohn, dann wollen wir doch den guten Willen für die Tat nehmen."

Hans Traxler hat, weil er schon als junger Mann ein Herr war, den Pfarrer nicht am Schlawittl gepackt und geschüttelt. Er ist stattdessen aus der Kirche ausgetreten und ist erst der Cartoon-Teufel Hans und dann der feinsinnige Illustrator Traxler geworden - ein freundlich-unerbittlicher Chronist des alltäglichen Schwachsinns.

Der Witz als Trost

Er nimmt nicht nur Moden aufs Korn, sondern auch das Dasein als Solches, mitsamt Altwerden, Sterben, In-den-Himmel- und In-die-Hölle-Kommen. Immer wieder tröstet der Witz: Auf die Idee, dass der Untergang der Titanic damit zu tun hat, dass Gott "Schiffe versenken" spielte, muss man erst kommen.

Traxler ist ein Philosoph, einer, der mit der Feder und Pinsel philosophiert. Seine Porträts sind kleine Philosophien, meist ist sein Spott milde, selten beißend. Traxler ist, trotz der Prägung durch den geistlichen Rüpel von Regensburg, selbst da von großzügiger Freundlichkeit geblieben, wenn er sich Päpste vorgenommen hat: "Noch besser war Calixt der Vierte / der seine Katze konfirmierte".

Seinen philosophischen Gipfel erreichte er mit einem Denkmal, das seit 2007 in der Frankfurte Mainuferanlage steht. Es handelt sich um einen großen Sockel aus Sandstein, auf den schöne Stufen hinaufführen und einladen, sich selbst auf den Sockel zu stellen. Die Inschrift sagt in goldenen Lettern klar und deutlich, wer der Größte ist: "Ich". Hans Traxler, der Schöpfer dieses einzigartig demokratischen Denkmals, fordert jeden auf, sich auf dem Sockel ablichten zu lassen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum es nicht leicht ist, Cartoonist zu sein.

Nur die nackte Wahrheit

Es ist nicht leicht, Cartoonist zu sein; immer wieder sind Hans Traxler seine Figuren unter Feder und Pinsel weggestorben. Ein ganzer Artikel im Stern führt 1984 einschlägig Klage: Heinrich Lübke, heißt es da, "beeindruckte ihn derart, dass er ein Buch über den Ex-Bundespräsidenten veröffentlichen wollte. Bei Zeichnung Nummer 42 starb Lübke und mit ihm das Buch.

Bei Papst Paul VI war es ähnlich. Er starb bei Zeichnung Nummer 123. Um das fast fertige Buch zu retten, erweiterte Traxler den Titel um die frommen Worte: "in memoriam", doch das brachte dann auch nicht mehr viel. Denn just an dem Tag, an dem der Andruck beginnen sollte, starb der nächste Papst, Johannes Paul I. Man versteht, dass sich Traxler dann dem "Leben der Gummibärchen" zuwandte und damit der erste deutsche Cartoonist wurde, der in den USA publiziert wurde.

Vielleicht stand das alte Regensburg und die dadurch geweckte Liebe zur Archäologie Pate bei einer aufsehenerregenden Aktion Traxlers, die noch in die bundesrepublikanischen Frühzeit gehört. In Deutschland grassierte, angestachelt von C.W. Cerams Klassiker "Götter, Gräber und Gelehrte", das Ausgrabungsfieber. Hans Traxler trat daher 1963 den Beweis an, dass "Hänsel und Gretel" mehr war als eine Sage:

Er imitierte Kupferstiche, zeichnete erfundene Lagepläne, ließ sich, mit Nickelbrille und Schnauzer maskiert, beim Ausheben von Gruben fotografieren und packte all das zusammen mit den Fotos echter Ausgrabungsfunde aus der Römerzeit in einen Bericht darüber, wie ein angeblicher Studienrat und Laienarchäologe namens Georg Osseg im Spessart die Fundamente des Hexenhauses ausgrub, dort auch Lebkuchenreste fand und den Ofen mit der verbrannten Hexe. Das Grundlagenwerk "Die Wahrheit über Hänsel und Gretel" erschien zur Buchmesse: Hundert Rezensionen, empört bis euphorisch, 2000 Leserzuschriften, enttäuscht bis wütend.

Parodie wird halt nicht immer erkannt. Touristen wollten weitergraben. In Ostberlin hingegen wird der Mord an der Lebkuchenhaushexe als "Kriminalfall aus frühkapitalistischer Zeit" interpretiert, und angeblich soll sogar Adorno das Buch in seinem Seminar vorgestellt haben: Oliver Maria Schmitt hat das alles im satirischen Standardwerk mit dem Titel "Die schärfsten Kritiker der Elche" schön geschildert. Dort sind Leben und Wirken aller Mitglieder der Neuen Frankfurter Schule adäquat nachzulesen. Traxler ist der älteste. Jüngere, nämlich Chlodwig Poth, F.K.Waechter und Robert Gernhardt sind gestorben.

Zeichnen macht glücklich

Die Ausgrabung des Hexenhauses war Traxlers satirische Meisterprüfung. Sodann hat er mit der Mit-Gründung und Mit-Gestaltung von Pardon und Titanic dazu beigetragen, dass (wie Hans Zippert trefflich feststellte) haltlose junge Menschen die Möglichkeit hatten, ihrer Haltlosigkeit eine satirische Form zu geben.

Aber all das liegt hinter ihm. Von Titanic hat er Urlaub genommen. Die schnelle Reaktion auf das Tagesereignis reizt ihn nicht mehr. Traxler hat sich entrückt von der Alltagspolitik, er legte die Feder weg und begann 1986 die Arbeit mit dem Pinsel. Er wollte sich noch mehr Zeit nehmen für seine Bilder. Die Sorgfalt lässt keine inhaltliche Kurzatmigkeit mehr zu - nur die nackte Wahrheit.

In einem Bild über Deutsche im Ausland sieht die so aus: Man sieht, wie ein hässliches weißes Männlein einen Schwarzen anherrscht, der am Strand Klimbim verkauft: "Sie sollten lieber in Ihr Heimatland gehen und dort gegen Ihre Unterdrücker kämpfen!"

"Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?" - ist Traxler einmal gefragt worden. "Ein gutgemalter transparenter Schlagschatten", hat er bescheiden geantwortet. Er kann zehn Gründe dafür aufzählen, warum er gern zeichnet. Sein zehnter: "Zeichnen macht glücklich." Man sieht es seinen Bildern an. Am Donnerstag feiert Hans Traxler glücklich seinen achtzigsten Geburtstag.

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