Zum Tod von Hannelore Elsner:Ein Blitzlächeln, dem niemand widerstehen kann

Die Regisseure Doris Dörrie und Oliver Hirschbiegel erzählen von Hannelore Elsner und der Einzigartigkeit, von der die Zusammenarbeit mit der Schauspielerin geprägt war.

Doris Dörrie erinnert sich:

Ich erinnere mich an Hannelore. Wir haben uns immer wieder freundlich zugewinkt auf verschiedenen Veranstaltungen, des Öfteren hatte sie mir gesagt, dass sie gern mal mit mir arbeiten würde, ich hatte ihr gratuliert zu ihrer tollen "Unberührbaren", aber erst Jahre später war es dann so weit. Monika Bleibtreu wurde unglücklicherweise krank und Hannelore übernahm, kaum zehn Tage vor Drehbeginn, die Rolle der Trudi Angermeier in "Kirschblüten - Hanami". Ich erinnere mich an unser erstes Treffen, sie mag die Kostüme nicht, die ihr alle zu altmodisch und trutschig sind, sie kann sich mit der Trudi nicht recht anfreunden, als ich sie bitte, die Rolle bayerisch anzulegen, sagt sie, das kann sie nicht, das geht auf gar keinen Fall. Aber Trudi kommt aus Bayern, es muss sein. Sie schweigt lange, dann lächelt sie ihr berühmtes Blitzlächeln, dem niemand, wirklich niemand auf der ganzen weiten Welt widerstehen kann, und sagt: Na, gut, dann spiele ich meine Oma.

Sie erzählt, dass sie aus Burghausen stammt, und ihre Oma so geliebt hat, und dass sie als Kind nur bayerisch gesprochen hat und sich das so mühsam abgewöhnt hatte und nie, nie eine bayerische Rolle gespielt hat. Aber jetzt will sie die Trudi als Hommage an ihre Großmutter spielen, und die Kostüme sind ihr jetzt fast noch zu schick. Mit größter Sorgfalt feilt sie an all meinen hochdeutschen Dialogsätzen, bis sie hundert Prozent bayerisch klingen. Oft sagt sie, dass sie durch diese Rolle ihre Großmutter wiedergefunden hat.

Als wir letztes Jahr die Fortsetzung "Kirschblüten und Dämonen" drehen, zieht sie die alte blaue Strickjacke an, und sofort ist Trudi wieder da. Und wieder verteidigt sie sie gegen alle möglichen Eingriffe und Zumutungen. Wenn wir sie wegen ihres doch schon etwas fortgeschrittenen Alters schonen wollen, reagiert sie fast beleidigt. Sie will spielen, sie will immer und immer alles geben, für Trudi, für jede Filmfigur. Das Schönste, da sind wir uns einig, ist doch, zusammen etwas zu erzählen, was wahrhaftig, unterhaltsam, wild und schön ist. Dafür nimmt sie alles in Kauf. Jede Qual, jede Mühe, jede noch so schwierige Bedingung.

Ich erinnere mich, wie sie in Torremolinos unter lauter wild gewordenen Touristen, die direkt neben ihr ins Wasser springen, seelenruhig ihre Szenen mit Axel Prahl spielte, wie sie auch für diese Figur eines Ex-Hippies immer wieder kämpfte. Sie hat Legionen von Kostüm- und Maskenbildnern getriezt, weil sie nie locker ließ, jedes Detail hundertmal änderte und diskutierte und ihre ganz eigenen Vorstellungen hatte. Ich durfte ihr die Haare grau färben, ich durfte sie schminken bzw. abschminken, weil ich mir die Trudi komplett ungeschminkt vorstellte. Sie ließ es zu, weil sie mir in dem Kampf um Echtheit und Wahrheit für ihre Filmfigur vertraute. Wie kämpferisch sie war, wie tapfer, wie hingebungsvoll, wie präzise. Im Kontrast wirkten viele junge Schauspieler nicht nur phlegmatisch, sondern geradezu faul. Aber sie warf sich nicht nur mit Vehemenz in ihre Rollen, sondern mit der gleichen Lust und Begeisterung in ihr eigenes Leben, immer nach dem Motto, der Überzeugung: Wann, wenn nicht jetzt?

Nie werde ich vergessen, wie sie nach Japan kam zum Drehen, und vor den Augen des erstaunten japanischen Teams ein großes blutiges Steak aß, und weil es so gut war, aß sie gleich noch mal eins. Sie ließ sich von dem Butoh-Tänzer Tadashi Endo stundenlang über einen See am Fuß des Fuji paddeln, weil sie nicht genug bekommen konnte von der Schönheit. Sie tanzte länger als jeder andere bei der Abschlussparty von "Alles Inklusive", barfuß im Sand. Hannelore, du Wilde, Großartige, Schöne, du fehlst mir schon jetzt!

Mit der Regisseurin und Autorin Doris Dörrie hat Hannelore Elsner dreimal gearbeitet, zusammen schufen sie "Kirschblüten - Hanami" (2008), "Alles inklusive" (2014) und zuletzt "Kirschblüten & Dämonen" (2019).

Oliver Hirschbiegel erinnert sich:

Keine war so von Herzen wild wie sie, keine konnte feiern wie sie - ihre Profession, das Schauspielen, das Übermaß, die Liebe, den Wein, die Lust am Leben an sich ebenso wie den Mut zur Angst und gerade auch die Sucht nach Grenzüberschreitung, immer atemlos woanders, mit einem Wimpernschlag oszillierend zwischen weiser Frau und entzückendem jungen Mädchen, mit dieser honigschweren Stimme, der man ewig zuhören mochte, dabei immer dem Boden verhaftet, einfach Mensch und eben deshalb keine Diva sondern Königin und großer Star. Hanni, nun ist auch Dein Film zu Ende. Was für ein unersetzlicher Verlust.

Mit dem Regisseur Oliver Hirschbiegel drehte Hannelore Elsner den Ein-Frauen-Monolog "Mein letzter Film", für den sie 2003 den Deutschen Filmpreis bekam.

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Hannelore Elsner in 'Mein letzter Film'

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