Süddeutsche Zeitung

Handel:Mittelgroß ist zu klein

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Die Berliner Galeristen Jörg Johnen und Esther Schipper machen aus ihren zwei Galerien eine. Ein Gespräch über Druck, Geschwindigkeit und Professionalisierung auf dem globalen Kunstmarkt.

Interview Von Catrin Lorch

Esther Schipper und Jörg Johnen haben ihre Galerien in den Achtzigerjahren in Köln gegründet. Nach ihrem Umzug prägten sie die neue Kunststadt Berlin entscheidend mit. Nun, nach all diesen Jahren als Konkurrenten, wollen sie fusionieren. Das gab es noch nie. Wir sprachen mit beiden über ihre Motive zu diesem Schritt.

SZ: Was ist der Grund für Ihren Zusammenschluss?

Jörg Johnen: Es wäre jedenfalls ein Missverständnis, ihn als ein Aufhören meinerseits zu verstehen. Ich werde weiterhin mit den Künstlern arbeiten - allerdings nicht mehr in den geschäftlichen Bereichen. Mir wurde diese Seite der Arbeit - die mir noch nie Spaß gemacht hat - in den vergangenen Jahren immer unerträglicher. Man ist als Galerist gezwungen, sich in große, internationale Netzwerke einbinden zu lassen, dazu kommen mehr und mehr Messebeteiligungen, Dinners und Partys. Die Zeiten der netten, intellektuellen Gespräche, bei denen man nach einer Eröffnung noch mit vier, fünf Sammlern an einem Tisch sitzt, sind vorbei.

Ein Sammler, der von meinen Nöten wusste, hat Esther Schipper und mich zusammen gebracht. Wir kennen uns seit vielen Jahren, hatten aber kaum persönlichen Kontakt. Unser Programm zeigt Ähnlichkeiten und Überschneidungen. Es lag in der Luft, dass wir zusammen passen.

Für einen solchen Zusammenschluss gibt es kaum Vorbilder.

Esther Schipper: Die Natur unseres Geschäfts eignet sich auch nicht unbedingt für Zusammenschlüsse. Aber warum sollten sich andererseits immer nur Galerien aus zwei verschiedenen Städten zusammen finden, die sich Künstler teilen und deswegen kooperieren. Vielleicht kann die Art des Arbeitens auch das Verbindende sein. Beide Galerien vertreten viele Konzeptkünstler unterschiedlicher Generationen. Außerdem kennen sich viele unserer Künstler gut, sie haben miteinander ausgestellt, einander zu Ausstellungen eingeladen, sich in ihren Arbeiten aufeinander bezogen, und gemeinsame Projekte realisiert.

Wie soll die neue Galerie aussehen, wie wird sie heißen?

Schipper: Vorläufig erhalten wir beide Standorte und Namen. In den nächsten zwei Jahren suchen wir in Berlin einen Ort, wo beide Galerien zusammen kommen.

Johnen: Die geschäftliche Struktur ist sehr verwoben, sie funktioniert, ohne dass ich im täglichen Geschäft dabei sein muss. Wir haben ein Fünfjahresprogramm aufgestellt, und so lange bin ich noch dabei. Außerdem werde ich das Johnen Galerie Archiv einrichten und dort Nachlässe wie den von Stefan Bertalan und Florin Mitroi weiter betreuen. Es gibt viel zu tun. Vielleicht schreibe ich ja auch noch ein Buch.

Sie vereinen in Ihrem Programm demnächst fast 50 Künstler, darunter Stars wie Tino Sehgal, Liam Gillick, Pierre Huyghe, Roman Ondak, Dominique Gonzeles Foerster, Anri Sala.

Schipper: Es wird vielleicht nicht jeder in dieser neuen Galerie bleiben wollen. Man muss das Unternehmen organisch führen und kann nicht alles am Schreibtisch planen: Wir warten die Gespräche mit den Künstlern ab, bevor wir eine Zahl nennen. Viele der Künstler sind aber begeistert, andere möchten mich vielleicht erst einmal kennen lernen. Man braucht ja immer lang, um mit einem Künstler eine gute Arbeitsbeziehung aufzubauen, selbst wenn man sich sofort mag. Man muss ein Werk bis ins Detail verstanden haben, auf diese Präzision legen wir beide Wert.

Sie trauen sich zu, eine so umfangreiche, erweiterte Künstlerliste zu schultern?

Schipper: Man muss pragmatisch vorgehen, beispielsweise bei den Messebeteiligungen. Ich werde mich um das Tagesgeschäft kümmern und bin im Jahr bei acht bis zehn Messen mit der Galerie präsent. Wird werden keine zwei Kojen parallel unterhalten können. Tatsächlich halte ich mich aber für eine Realistin: Die mittlere Größe ist für Galerien die schwierigste. Größere Strukturen erlauben es, die Abläufe besser aufzuteilen. Und so vielleicht Zeit zu gewinnen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: das, wofür man sich für diesen Beruf entschieden hat.

Das klingt, als würden Sie durchaus Chancen sehen in dem sich ausweitenden Betrieb, von dem sich Ihr Partner gerade zurück zieht.

Schipper: Man kann da keine pauschale Antwort geben. Die Kunstwelt ist dabei, eine Industrie zu werden. Das Geschäft wird global, die Geschwindigkeit nimmt zu. Dennoch sehe ich heute mehr Chancen für ernsthafte Arbeit als noch vor fünf Jahren. Damals sah es aus, als habe man nur als Kette oder Mega-Store eine Zukunft. Es gibt für spezialisierte und profilierte Strukturen und Programme wieder hervorragende Perspektiven. Das zeitgenössische Geschäft hat sich wahnsinnig professionalisiert - da darf man keine Berührungsangst haben gegenüber herkömmlichen wirtschaftlichen Strukturen und Verfahren, Marketing beispielsweise.

Was meinen Sie mit "Industrie", die meisten Künstler arbeiten doch immer noch an recht herkömmlichen Formen eines Werks - und das ist auch, was Sammler erwarten.

Schipper: Ich denke eher an die Mode- oder Musikindustrie. Es geht darum, weltweit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Kunst übernimmt dabei sogar Formen des Marketings oder bedient die Freizeitkultur. Auch Museen - sogar öffentliche Häuser - müssen Rechenschaft ablegen über Besucherzahlen, Pressespiegel, einen Teil ihrer Einkünfte selbst erwirtschaften. Wie viele Orte haben eine Biennale gegründet, allein um Touristen eine Attraktion zu bieten! Wie viele Firmen versuchen, sich über eine Sammlung oder Kunst-Aktivitäten aufzuwerten! Ich will das nicht bewerten, aber das sind einfach die Tatsachen, mit denen wir in unserem Geschäft täglich konfrontiert sind. Deswegen müssen die Strukturen stimmen, und dafür braucht man auch ein großes Team. Aber es gibt auch die Möglichkeit, komplexere, intellektuellere Formen von Kunst zu vermitteln ohne sich zu verkaufen.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2015
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