Hamburger Elbphilharmonie:Salamitaktik

Die Hamburger SPD will den Kostenbluff beim Bau der Elbphilharmonie beweisen - und während sich bisherige Baukosten-Skandale in politischem Radau erschöpften, könnte das gelingen.

T. Briegleb

Dieser Untersuchungsausschuss könnte weitreichende Konsequenzen für öffentliche Bauten in Deutschland haben. Denn die parlamentarische Aufarbeitung der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie, die die Hamburger SPD jetzt beschlossen hat, will eine beliebte Praxis beim Bau von Renommee-Projekten beleuchten, deren Erfolg leider davon abhängt, dass sie geheim bleibt: Die Unterdrückung realistischer Kostenschätzungen von öffentlichen Bauten in der Entscheidungsphase, um die Zustimmung für spektakuläre Projekte zu erreichen.

Wahrheit und Gewinn stehen nicht immer im Einklang

Von der Sydney-Oper bis zum Bundeskanzleramt gilt für zahlreiche architektonische Juwelen, die aus Steuermitteln bezahlt wurden: Wären die finalen Belastungen am Anfang bekannt (bei der Oper das Vierzehnfache, beim Kanzleramt "nur" mehr als das Doppelte), sie wären vermutlich nie in dieser Form beschlossen worden. Vertraulich leugnen weder Architekten noch Baufachkräfte oder Politiker, dass außergewöhnliche Gebäude nur über solche Kostenlügen umzusetzen sind, aber als bestätigte Meldung würde dies Wissen das Projektbegräbnis als Drucksache herbeiführen. Wahrheit und kultureller Gewinn stehen leider nicht immer in Einklang.

Das Prekäre am Hamburger Untersuchungsausschuss ist daher, dass er diesen Bluff beweisen will, und ihm das vermutlich auch gelingen kann. Denn anders als bei bisherigen Baukosten-Skandalen, die sich in öffentlichen Schuldzuweisungen und politischem Radau erschöpften, ist dies ein Tribunal mit Beweiskraft. Die Beteiligten müssen aussagen, auch unter Eid, bislang geheim gehaltene Akten können öffentlich gemacht werden, und Verantwortlichkeiten lassen sich weit präziser klären als durch parlamentarische Anfragen.

Der Sündenbock wurde gefeuert

Nun sind die Scheiben der Salamitaktik, mit der in Hamburg die Wahrheit über die Baukosten des Konzerthauses herausgekommen sind, auch besonders dick: von 77 auf 114 auf 323 Millionen Euro wuchs der öffentliche Anteil seit 2005 und weitere Nachforderungen des Baukonzerns Hochtief in zweistelliger Millionenhöhe stehen erneut im Raum. Dazu wird die Eröffnung immer weiter verschoben, von ursprünglich 2008 auf jetzt vermutlich 2013. Dass die Opposition hier Aufklärung anstrebt, verlangt schon ihre demokratische Aufsichtspflicht.

Ihre Ausgangsthese zur Schuld ist dabei relativ klar. "Der erste Bürgermeister Ole von Beust will sich mit der Elbphilharmonie ein Denkmal setzen", sagt SPD-Haushaltsexperte Peter Tschentscher. Deshalb habe er bei diesem Projekt "so viele persönliche Entscheidungen getroffen wie nirgendwo sonst". Von Beust sei stets bestens über Entwicklung und Probleme informiert gewesen, sei seinen leitenden Mitarbeitern unklug in die Parade gefahren und habe den einstigen Chef der städtischen Bauherrenvertretung, Hartmut Wegener, angewiesen, von einem gesicherten "Festpreis" zu sprechen, als bereits lange klar war, wie die Kosten explodieren würden. Wegener sei dann als Sündenbock gefeuert worden, aber seither habe sich an der laufenden Verteuerung nichts geändert.

Der Segen der Sachzwänge

Das Bild, das Tschentscher von Ole von Beust hier malt, ähnelt dem eines absolutistischen Fürsten, der seine Schlösser ohne Rücksicht auf die Staatskasse in Pracht erbauen lässt. In einer Republik verteilen sich die Verantwortlichkeiten aber doch breiter, und deswegen steht in Hamburg von Mai an nicht nur ein Bürgermeister am Pranger, sondern die gängige Praxis. In stillschweigender Erwartung, dass kein Politiker den Gesichtsverlust einer Bauruine erträgt, spekulieren Bauunternehmer und Architekten auf den Segen der Sachzwänge. Wenn dieses Vorgehen einmal als Regel bewiesen ist, wird es in Zukunft ungleich schwerer, Unterstützung für das Besondere zu finden. Und das ist der Teufelsfuß an dieser Wahrheitsfindung.

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