Hafen:Grund allen Reichtums

Lesezeit: 4 min

Container vor Glasfassade: Hamburgs neues Wahrzeichen hat seinen Ursprung im Hafen. Und das bleibt sichtbar. (Foto: Jürgen Heinrich/imago)

Mit dem Schiffsverkehr ist Hamburg groß, berühmt und wohlhabend geworden. Und immer noch liegt der Hafen mitten in der Stadt.

Von Peter Burghardt

Die Basis der heutigen Elbphilharmonie war schon früher ein Hamburger Wahrzeichen, das ist allerdings bereits eine Weile her. Kaispeicher A wurde das Gebäude genannt und zu Ehren von Wilhelm I. auch Kaiserspeicher, seine Geschichte begann 1875. Damals wuchs das Backsteingebäude zum seinerzeit größten und modernsten Lagerhaus im Hamburger Hafen - 19 000 Quadratmeter Stauraum für Kaffee, Tee, Tabak und vor allem Kakao aus den besten Anbaugebieten in Übersee, was dem Gemäuer den Beinamen "Kakaobunker" einbrachte. Die Waren konnten anders als in der engeren Speicherstadt direkt von den Seeschiffen geliefert werden, man spürt diese besondere Nähe zum Wasser und der Welt noch heute.

Am Turm der Anlage hing ein Ball, der bis 1934 jeden Mittag hinabfiel und den Seeleuten mitteilte, dass es nun zwölf Uhr war. Angesichts der Kriegsschäden wurde der alte Kaispeicher 1963 gesprengt und 1966 mit 1111 Betonpfählen neu errichtet, ehe sein Inneres immer weniger zu Gabelstaplern und nachher der Containertechnik passte. Nach 2005 wurde der Bau entkernt und mit weiteren Bohrpfählen saniert, um das Konzerthaus tragen zu können. Aber beide gehören jetzt zueinander. Ohne den Hafen wäre die Elbphilharmonie sowieso nicht denkbar, beide sind nun verschmolzen. Ohne den Hafen würde es ganz Hamburg in dieser Form nicht geben.

Es ist fast egal, aus welcher Perspektive man sich diesem verzweigten Wirtschaftszentrum der mehr als 1000 Kilometer langen Elbe nähert. Man kann bei guter Sicht und passender Route nach dem Start oder vor der Landung am neuerdings Helmut Schmidt gewidmeten Flughafen aus dem Flugzeugfenster hinabschauen. Man kann mit der Bahn oder mit dem Auto über die Elbbrücken im Osten Hamburgs fahren oder, gewöhnlich im Stau, durch den Elbtunnel im Westen der Stadt rollen. Dort, am südlichen Ausgang der Röhren, sind neben der Autobahn A 7 an Eurokai und Burchardkai einige der größten Frachter zu sehen, beladen von riesigen Kränen mit Tausenden Containern, die sich an Deck und an Land stapeln.

Man kann sich auch mit der Hochbahnlinie U 3 preiswert zu den Landungsbrücken und zum Baumwall bringen lassen, mit Blick auf die Museumsschiffe Rickmer Rickmers und Cap San Diego. Gegenüber liegt ein Trockendock von Blohm+Voss, in dem erst in diesem Sommer wieder die Queen Mary 2 gepflegt wurde. Oder man nimmt das Linienboot von Teufelsbrück, in fußläufiger Entfernung der Elbkneipe Strandperle, oder von Finkenwerder bei den Hallen und Pisten von Airbus. Während der Saison fährt auch der Katamaran Holunder Jet von Helgoland über Cuxhaven den Fluss hinauf und hinunter. Oder man bucht eine Hafenrundfahrt, die bis nahe an die monumentalen Schiffswände heranführt, hinein in die Globalisierung und bis in die Kanäle des Weltkulturerbes Speicherstadt.

Stets wird irgendwann die Elbphilharmonie zu bewundern sein, jeder Einweiser dieser schwimmenden Touren verweist darauf und wird gelegentlich einen Witz zu Planung und Finanzierung los. In der Regel gibt es auch einen Hinweis auf die Zentrale von Greenpeace in der schicken Hafencity nebenan. Kurzum: Der Anblick des Hafens und seiner neuesten Attraktion ist aus praktisch jeder Richtung spektakulär. Und wer zu den Musiksälen hinauffährt, dem öffnet sich ein gewaltiges Panorama von Hamburgs pochendem Herzen.

Von edlen Bars aus kann man in aller Ruhe dem Welthandel zusehen

Die Hansestadt lebt seit Jahrhunderten von ihrem Hafen, er hat sie reich gemacht, berühmt und weltläufig. Manchmal leidet sie auch mit ihm. Als Gründungstag gilt der 7. Mai 1189, jedes Jahr wird am 7. Mai mit Windjammern, Kreuzfahrtschiffen und sehr vielen Menschen Geburtstag gefeiert. Seit ein paar Jahren ist auch in zunehmender Vollendung die Elbphilharmonie im Bild, inzwischen mit fertiger Fassade und ohne Kräne. Wo sonst auf der Welt fahren die mächtigsten Schiffe mitten in eine Millionenstadt oder werden von Schleppern dorthin gezogen? Wo sonst kann man ein paar Gehminuten vom Rathaus entfernt mit Fischbrötchen und Bier in der Hand oder aus edlen Bars und Restaurants dem Welthandel zusehen? Wo sonst stehen an einem Ufer die Hallen von kindertauglichen Musicals wie "König der Löwen" und "Das Wunder von Bern" und an einem anderen die Säle einer architektonischen und akustischen Glanzleistung der Hochkultur, und dazwischen gehen die Pötte auf Weltreise? Zwischenzeitlich wollte Hamburg gegenüber auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook sogar Olympia 2024 veranstalten, was die Wähler jedoch ablehnten.

In den meisten größten Hafenstädten wurden die Terminals mittlerweile an den Rand verlagert, Hamburg macht auf seinen 7200 Hektar Hafenfläche zentral weiter. Das hat Vorteile, weil alles nah beieinanderliegt und der Transport über das Wasser von und bis zur Nordseemündung fast 150 Kilometer Straßen oder Schienen spart. Es hat jedoch auch eine Menge Nachteile, weil der Schiffsdiesel trotz strengerer Richtwerte die Luft verpestet und die Elbe für die immer dickeren Schiffe zum Engpass geworden ist. Die Industrie und wesentliche Teile der Politik wollen den Fluss deshalb ausbaggern lassen, Umweltschützer sind dagegen, Gerichte entscheiden. Die Betreiber glauben, dass ihre Wasserstraße diesen Ausbau braucht, um international nicht weiter zurückzufallen.

Zurzeit ist Hamburgs Hafen nach Rotterdam und Antwerpen Europas Nummer drei und weltweit die Nummer 18. Die Statistik zählt ungefähr 9000 Schiffsanläufe im Jahr, 43 Kilometer Kaimauern mit 300 Liegeplätzen, vier Terminals für Container- und drei für Kreuzfahrtschiffe, 1900 Güterzüge pro Woche, 50 Umschlaganlagen für Fahrzeuge und Stückgut, 7300 Logistikunternehmen. 2015 wurden hier 137,8 Millionen Tonnen Ladung registriert, darunter 8,8 Millionen Standardcontainer aus aller Welt. Jeden Tag sind die Ankünfte in der Zeitung und auf der Website des Port of Hamburg zu finden. Ein beliebiges Datum Ende November: Erwartet werden unter anderem die CSCL Pacific Ocean der China Shipping Agency, 400 Meter lang, 18 890 Container, oder die YM Welcome der Linie Yang Ming aus Taiwan, 368 Meter, 14 200 Container. Manche der nicht ganz so gigantischen Schiffe fahren vorbei an der Elbphilharmonie auf dem Kaispeicher A alias Kaiserspeicher, der für den Hamburger Hafen mal das Maß aller Dinge war.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: