"Gunpowder Milkshake" im Kino:Killerinnen auf dem Highway

Kinostart - 'Gunpowder Milkshake'

Im Familiengeschäft: Lena Headey (links) und Karen Gillan als Profikillerinnen in "Gunpowder Milkshake" von Navot Papushado.

(Foto: Studiocanal)

Blutig, cool und tief emotional: "Gunpowder Milkshake" von Navot Papushado zeigt ein ungewöhnliches Duo von Profikillerinnen, Mutter und Tochter.

Von Fritz Göttler

Die Männer sind Lachnummern in diesem Film, je weiter er fortschreitet, desto größer werden die Horden, in denen sie ausschwärmen, desto rascher werden sie umgelegt wie Schießbudenfiguren. Manchmal, um Eindruck zu schinden, treten sie im Dreierteam an, und wenn sie dann so verklemmt mit ihren Knüppeln hantieren, kommt man einfach nicht drum herum, bei ihrem Anblick an die "Three Stooges" zu denken, die schlimmste Tölpeltruppe des frühen Hollywood, meisterhaft in der Kunst der Selbstzerlegung. Eine Dreiertruppe lauert zum Beispiel Sam im Neon-Blau-Rot einer Kegelbahn auf, das wird dann ein armseliger Showdown wie im Italowestern. Auch der hatte schon sehr viel zu tun mit dem anarchischen amerikanischen Slapstick. Gutterball nennt sich, plump und anzüglich, die Bahn.

Sam heißt eigentlich Samantha, sie wird verkörpert von Karen Gillan, die man aus den "Avengers"-, "Guardians-of-the-Galaxy"- und "Jumanji"-Filmen kennt. Sie ist eine junge Profikillerin, effektiv und zuverlässig, meistens wird sie von einer Organisation beschäftigt, die die "Firma" heißt und wohl die ganze Welt im Griff hat- auch so was kennt man aus der Frühzeit des Kinos, aus den Serials. Sams Mutter Scarlet, gespielt von Lena Headey, ist im gleichen Business.

Sie war in in "Game of Thrones", in "300" die Königin Gorgo und in der "Terminator"-Fernsehserie Sarah Connor. Im Diner sitzen Mutter und Tochter anfangs am Tisch und trinken mit zwei Strohhalmen aus dem gleichen Milkshake-Becher - "mit einer Extrakugel für meine Lieblingskundin". Wer hier Platz nehmen will, muss zuvor seine Waffen abgeben, die Mädchen, die hier bedienen, schauen scharf darauf, dass der Laden clean bleibt. Nach einem heiklen Coup muss die Mutter untertauchen, bleibt Jahre verschwunden. In Nathan, dem Mann, der die Aufträge der "Firma" vermittelt, gespielt von Paul Giamatti, sammeln sich väterliche Restgefühle.

Sie kämpfen auch gegen maskuline Arroganz und Geringschätzung

Die Frauen sind die Profis, sie treiben diesen Film. "Well I got us on a highway and I got us in a car. Got us going faster than we've ever gone before ..." auf dem Highway geben sie Gas. Ihr Zynismus, der sich ihrem Metier und dem Genre verdankt, hat immer einen doppelten Rand, als Reaktion auf die maskuline Arroganz und Geringschätzung um sie her. Eines Tages bringen moralische Momente das professionelle Getriebe Sams zum Stottern. Der Job wird ein wenig kompliziert.

Ein Mann hat der "Firma" einen große Summe entwendet, aber er tat das, weil seine Tochter entführt worden war und er das Lösegeld nicht anders aufbringen konnte. Sam schießt ihn an, fühlt sich aber für das Kind, Emily, dann doch verantwortlich. Das Geld verbrennt, Sam wird zum Abschuss freigegeben. Emily hilft ihr zu entkommen, sie versteht sich als ihre Praktikantin. Dummerweise hat Sam auch den einzigen Sohn des Chefs der "Firma" getötet. "And I know it ain't gonna last" ... das kann nicht gutgehen.

Navot Papushado ist bekannt geworden in Israel durch den Film "Big Bad Wolves", 2013, über einen Vater, der Rache nimmt an dem Mörder seiner Tochter, eine Studie männlicher Potenz und der Grausamkeit, in die sie mündet. "Gunpowder Milkshake" ist sehr einfach inszeniert, viele Halbtotale und Parallelfahrten, mit spritzendem Blut und Spezialeffekten durchsetzt, aber auch mit tiefen emotionalen Momenten.

Das Zentrum ist, in Opposition zum ominösen Sitz der "Firma", die schummerige Bibliothek, hier wirken drei Bibliothekarinnen - die sind, sagt Papushado, wie die Sheriffs der Stadt in einem Western. Ein tolles Team, loyal und kompetent, klug und belesen: Carla Gugino, Angela Bassett und Michelle Yeoh. In den Büchern ihrer Bibliothek sind Geist und Handwaffen zusammengebracht. Frauen dominieren den Lesestoff, Jane Austen, Charlotte Brontë, Virginia Woolf, und Agatha Christie.

Am Ende gibt es eine männliche, eine väterliche Einsamkeit. Ich war immer ein Feminist, sagt der Boss der "Firma", der durch Sam seinen Sohn verloren hat und sie dafür auf grausamste Weise töten will. Ich hatte vier Töchter, ich habe sie geliebt, aber nie verstanden, immer haben sie gekichert in dunklen Ecken. Mit dem Sohn wurde das anders ... "Mit seinem Tod", sagt er Sam am Ende im Diner, "hast du mich wieder zum Fremden in meinem eigenen Haus gemacht."

Gunpowder Milkshake, USA 2021 - Regie: Navot Papushado. Buch: Papushado, Ehud Lavski. Kamera: Michael Seresin. Schnitt: Nicolas De Toth. Musik: Frank Ilfman. Mit: Karen Gillan, Lena Headey, Chloe Coleman, Paul Giamatti, Carla Gugino, Angela Bassett, Michelle Yeoh, Ralph Ineson. Studiocanal, 114 Minuten. Filmstart: 02. 12. 2021.

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