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Naturgedichte von Josef Guggenmos, zum 100. Geburtstag neu illustriert.

Von Ulrike Schultheis

Am 2. Juli 2022 wäre Josef Guggenmos, einer der bedeutendsten Kinderlyriker der deutschen Literatur, hundert Jahre alt geworden. Seine Gedichte aber bleiben ewig jung, man denke nur an sein wohl berühmtestes Gedicht "Was denkt die Maus am Donnerstag?"

Zum runden Geburtstag gibt der Verlag noch einmal eine Anthologie mit Naturgedichten heraus.

"Die drei Stärken der Guggenmos'schen Poetik", schreibt Arne Rautenberg im Nachwort dieser neu herausgegebenen Anthologie, "sind der besondere Blick für die Natur, die Phantasie und die Sprachkraft." Und, das muss dringend hinzugefügt werden, der leise Humor. Bei Beltz & Gelberg sind die meisten seiner Werke erschienen, ganz unterschiedlich illustriert. Zuletzt "Groß ist die Welt" mit zarten Illustrationen von Sabine Friedrichson und "Oh, Verzeihung, sagte die Ameise" mit den sehr eigenwilligen, großartigen Bildern von Nikolaus Heidelbach.

Zum runden Geburtstag gibt der Verlag noch einmal eine Anthologie mit Naturgedichten heraus. Zwölf Gedichte hat Stefanie Schweizer ausgewählt, die sie zwölf verschiedenen Illustratoren und Illustratorinnen zur Gestaltung vorgelegt hat. Und jeder hat sich mit einem ganz anderen Ansatz und ganz einer anderen Technik in seinen Bildern diesen kleinen poetischen Schätzen genähert. Das ist hoch spannend, manchmal beglückend, manchmal auch irritierend, stellt man doch fest, dass die eigene Fantasie oft ganz andere Wege geht. Da ist zum Beispiel das Gedicht "Unterm Rasen", in dem von den Würmern erzählt wird, die im Erdreich wühlen. "Doch, was sie da unten / im Dunkeln, im Kühlen, / die Würmer, die vielen,/ beim Wühlen fühlen / keine Sprache beschreibt es, / es ist ein Geheimnis und bleibt es." Die Rezensentin stellt sich da ein dunkles Erdreich mit Gängen, Stille, Dunkelheit und emsigem, stummem Treiben vor, der Illustrator Max Fiedler sieht das ganz anders: Seine dem Comic sehr nahe Bilderfolge platzt aus allen Nähten, die Welt unter der Erde ist laut, prall, bunt und voller Action. Eine Herausforderung! Und dann stellt man plötzlich fest: Ja, so kann man das auch sehen! Ein Gedicht ist eben wie ein Bild, die Wahrheit liegt beim Betrachter. Auch Sabine Kranz wählt für ihre Gestaltung des berühmten Gedichts "Ein Riese warf einen Stein", in der ein Junge achtlos einen Stein auf einen Ameisenhaufen wirft und damit großes Unheil anrichtet, die Form der Bildgeschichte. So könnte man in jedem Gedicht, jeder Illustration Neues und Aufregendes entdecken. Schon Guggenmos meinte: "Schaut man genau, / dann ist viel los / dann ist das Kleine / schön und groß!" (Für die ganze Familie)

Josef Guggenmos: Es flüstert & rauscht - Naturgedichte für Kinder. Beltz & Gelberg 2022. 16 Euro.

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