Süddeutsche Zeitung

NS-Raubkunstfall:Vergeigt

Streitfall Guarneri-Geige: Nürnberger Hagemann-Stiftung muss 285 000 Euro Entschädigung an die Erben zahlen.

Deutschlands schleppender Umgang mit Kunstwerken und anderen Gegenständen, die jüdischen Sammlern während der NS-Zeit geraubt oder abgepresst wurden, wird seit langem beklagt. Einer der Hauptkritikpunkte ist dabei, dass die "Beratende Kommission", auch Limbach-Kommission genannt, nur Empfehlungen aussprechen kann und keine Mittel hat, diese auch durchzusetzen. Lange Zeit ging das gut. Die Parteien, die ja beide einer Untersuchung der jeweiligen Fälle durch die Kommission zustimmen müssen, sind deren Empfehlungen bislang immer gefolgt. Bis vor einem Jahr die Nürnberger Hagemann-Stiftung entschied, das Urteil der Kommission in den Wind zu schreiben. Dafür muss sie nun buchstäblich teuer bezahlen.

2016 hatte die Stiftung von sich aus die Prüfung der Herkunft einer Guarneri-Geige angestoßen, die 1939 Felix Hildesheimer, dem jüdischen Inhaber einer Instrumente-Handlung aus Speyer, geraubt worden war. Die Kommission empfahl, die Stiftung dürfe die Geige behalten und solle die Erben mit 100 000 Euro entschädigen. Doch die Stiftung zahlte nicht und erklärte im Dezember 2020, sie werde auch nicht zahlen, sie glaube, die Geige sei Hildesheimer gar nicht entzogen worden.

Diese Ankündigung sorgte weltweit für Empörung, der Stiftungsvorstand trat ab. Allerdings erst, nachdem eines seiner Mitglieder gegenüber der SZ erklärt hatte, die Geige sei bis zu einer Million Euro wert. Daraufhin gaben die Kommission und die Erben neue Gutachten in Auftrag. Nach diesen liegt der Wert der Geige bei etwa 285 000 Euro. Die Stiftung wusste aus einem eigenen Gutachten seit langem, dass der Wert der Geige höher liege als die 100 000 Euro, hatte dies der Kommission aber verschwiegen. Nun wird sie 285 000 Euro statt 100 000 Euro zahlen müssen.

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