Gruner-und-Jahr-Krise:"Schmerzliche Maßnahmen"

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Gruner-und-Jahr-Chef Bernd Kundrun hat die Schließung von Titeln angekündigt. Gefährdet sind Wirtschafts- und Frauenformate. Auch personelle Einsparungen scheinen absehbar.

Caspar Busse

"Chairman's Letter" war der interne Brief von Bernd Kundrun an seine Führungskräfte überschrieben. Was der Chef des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr den "lieben Kolleginnen und Kollegen" dann mitzuteilen hatte, wird für erhebliche Unruhe sorgen.

Offener Brief an die "lieben Kolleginnen und Kollegen": Gruner-und-Jahr(G+J)-Vorstandschef Bernd Kundrun. (Foto: Foto: ap)

Kundrun kündigte angesichts der aufziehenden Wirtschaftskrise ungewohnt offen "schmerzliche Maßnahmen" an und meinte damit, dass möglicherweise Objekte geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden müssen.

Das sei hart, aber unausweichlich: "Es ist notwendig, dass wir in den nächsten Wochen in all unseren Ländern unser Portfolio um jene Titel bereinigen, die keine Aussicht haben, die Krise zu überstehen", schrieb der 50-Jährige in seinem Brandbrief. Er sei sicher, dass andere Medienhäuser mit vergleichbaren Schritten folgen werden. Es gehe insbesondere um "Titel, die sich bisher nicht überzeugend etablieren konnten". Namen nannte Kundrun nicht.

Von der Überprüfung betroffen sein sollen nach Angaben aus Konzernkreisen offenbar Wirtschaftstitel wie die Financial Times Deutschland (FTD), Impulse, Capital und Börse Online, aber auch Park Avenue, Healthy Living, Emotion, sowie eine Vielzahl anderer Frauentitel und Objekte im Ausland.

Vor allem die Neugründung Park Avenue gilt als gefährdet. Es gebe noch keinerlei Entscheidungen, betonte ein Konzernsprecher. Zudem hat der G+J-Vorstand beschlossen, für 2009 die Spesen-, Reise- und Veranstaltungskosten in allen Unternehmensbereichen um 20 Prozent zu senken. Die Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr verlegt weltweit 550 Online- und Printprodukte.

Derzeit fürchtete die gesamte Medienbranche einen rapiden Rückgang der Werbeausgaben. Die Prognosen für das kommende Jahr werden derzeit deutlich nach unten revidiert. In Zeiten der Wirtschaftskrise reduzieren die großen Unternehmen erfahrungsgemäß zuerst ihre Marketingausgaben. Darunter werde voraussichtlich die Zeitschriften- und Zeitungsverleger leiden, aber auch Fernsehkonzerne wie RTL oder Pro Sieben Sat 1. Die WAZ-Gruppe in Essen hat bereits ein Sparprogramm von 30 Millionen Euro sowie einen deutlichen Personalabbau angekündigt.

Besonders hart getroffen wird die Wirtschaftspresse, die stark abhängig von Anzeigen der Finanzwirtschaft ist. Von einem "außergewöhnlich düsteren Wirtschaftsumfeld" schrieb die Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt ( Handelsblatt, Wirtschaftswoche) gerade in einer internen Mitarbeiterinformation, und mahnte weitere Kostensenkungen an. Trotzdem ist die Düsseldorfer Tochter des Holtzbrinck-Konzern noch in der Gewinnzone.

Sehr unter Beobachtung steht bei Gruner + Jahr die FTD, die erst Anfang des Jahres vollständig von Pearson ( Financial Times) übernommen wurde und etwa 160 Mitarbeiter beschäftigt. Noch Mitte April hatte Kundrun in Aussicht gestellt, dass die FTD, die im Jahr 2000 als eine der wenigen Zeitungsneugründungen gestartet war, 2009 Gewinne macht. "Schon jetzt sind wir hauchdünn unter der Oberfläche, bald tauchen wir auf", sagte er damals der SZ. Inzwischen dürfte das Geschäft angesichts der Finanzkrise abgesoffen sein. Die Lage sei prekär, man bemühe sich um Lösungen, hieß es am Freitag auf einer FTD-Mitarbeiterversammlung.

© SZ vom 31.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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