Grosz-Ausstellung in Brühl:"Göthe" in der Gosse

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Er war einer der provokantesten Maler der 1920er Jahre: George Grosz deckte in seinen Bildern die Doppelmoral der Großstadt zur Zeit der Weimarer Republik auf - fressende fette Spießbürger, Huren und gierige Fabrikanten. In einer Sonderschau seiner Werke werden nun sensationelle neue Funde gezeigt - auch eine Abrechung mit den Deutschen und ihrem "Göthe".

Eine George-Grosz-Ausstellung mit sensationellen Funden ist von Sonntag an in Brühl bei Köln zu sehen. Fast 100 Aquarelle, Zeichnungen und Collagen aus 50 Schaffensjahren des gesellschaftskritischen Malers (1893-1959), der die Verhältnisse der Weimarer Republik beißend-provokativ darstellte, präsentiert das Max Ernst Museum bis zum 18. Dezember.

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach dem verschollenen Gemälde "Deutschland, ein Wintermärchen" von George Grosz. Vor einem Jahr tauchte eine Vorstudie zu dem berühmten Bild auf. Diese steht nun im Mittelpunkt der Ausstellung in Brühl.

Das eigentliche Gemälde ist seit 1933 verschollen. Nach Heinrich Heines Gedicht benannt, gehörte es einst dem Verleger und Hitler-Gegner Wieland Herzfelde. In der Mitte des Bildes sitzt der deutsche Spießbürger an einem Tisch, bewaffnet mit Messer und Gabel. Um ihn herum schwankt die Stadt. Im Vordergrund stehen die "Stützen der Gesellschaft": Pfarrer, General und der Bildungsbürger mit "Göthe" (sic!) unterm Arm. Über der Szene scheint nicht die Sonne, sondern ein sich entleerender Hintern.

Ebenfalls gezeigt wird das erst vor zwei Jahren in Paris aufgetauchte Aquarell "Dämmerung" (1922), das mehr als 80 Jahre verschollen war. Alle entdeckten Werke seien echt, betonte der Kurator und Grosz-Nachlassverwalter Ralph Jentsch.

Er hat wesentlich zur Aufdeckung des Kunstfälscherskandals um die fingierte Sammlung Jägers beigetragen; in dem Fall müssen sich seit vergangener Woche vier Angeklagte vor dem Kölner Landgericht verantworten. "Es vergeht kaum eine Woche, wo nicht eine Fälschung bei mir auf dem Tisch auftaucht", sagte Jentsch der Deutschen Presse-Agentur. "Aber das hier ist eine Sensation." Grosz habe einen "unverwechselbaren Strich" mit Feder und Rohrfeder gehabt.

Grosz, Vertreter der Berliner Dada-Bewegung und später der neuen Sachlichkeit, deckte in seinen satirischen Bildern die Abseitigkeiten und Doppelmoral der Großstadt zur Zeit der Weimarer Republik auf - fressende fette Spießbürger, Huren, Zuhälter, gierige Fabrikanten. "Es sind keine Karikaturen, es sind Physiognomien", betont Jentsch. "Wenn man die Gesichter genau ansieht, merkt man, die Typen gibt es alle."

Viele seiner Werke haben die Nazis verbrannt

Der Künstler, der vom Kriegsfreiwilligen zum Kriegsgegner wurde und 1916 aus Protest seinen Namen Georg Ehrenfried Gross in George Grosz amerikanisierte, emigrierte 1933 in die USA. Die Ausstellung umfasst nicht nur Collagen aus den 50er Jahren, sondern auch meisterhafte Zeichnungen mit fantastisch-grotesken Szenen, die er bereits als 15-Jähriger anfertigte. Grosz war Alkoholiker und hatte Depressionen. Rund 300 seiner Werke hatten die Nazis 1937 in Museen beschlagnahmt und viele verbrannt. 1957 stellte er sich in einer Collage vor der Kulisse New Yorks mit der Whiskey-Flasche dar.

Grosz sezierte nicht nur die Verhältnisse der Weimarer Republik, sondern prophezeite auch, wohin Deutschland steuerte. Davon zeugen seine zahlreichen Hitler-Karikaturen. Doch auch das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte nicht den ersehnten Frieden. Ausdruck der Desillusion sind entmenschlichte "Stockmänner" mit leeren Köpfen und zugeschraubten Ohren. 1959 kehrte er nach Berlin zurück, wo er kurz darauf an Herzversagen starb.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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