Großkonzert unter medizinischer Aufsicht:Kann das gutgehen?

Großkonzert unter medizinischer Aufsicht: Andere Länder wie Spanien haben schon viel früher begonnen, mit Lockerungen zu experimentieren.

Andere Länder wie Spanien haben schon viel früher begonnen, mit Lockerungen zu experimentieren.

(Foto: Emilio Morenatti/dpa)

Es war ein Konzert mit 5000 Teilnehmern - mitten in der Pandemie. In Barcelona will man dringend die Kultur wiederbeleben. Nun wurden die Ergebnisse dieses Experiments vorgestellt.

Von Karin Janker, Madrid

Es war ein wenig wie früher: Die Gitarren, das Schlagzeug, die Lichter auf der Bühne, tanzende und singende Menschen im Publikum. Konzertatmosphäre. Nur hatten diesmal alle Besucher Masken auf. Vor einem Monat spielte die spanische Indie-Band Love of Lesbian in Barcelona ein Konzert vor rund 5000 Menschen. Es war ein Versuch, der weltweit für Aufmerksamkeit sorgte: Würde es gelingen, die Konzertbesucher mit entsprechenden Maßnahmen vor dem Coronavirus zu schützen? Ließe sich - trotz Massenveranstaltung in einem geschlossenen Raum - verhindern, dass aus dem Abend ein Superspreading-Event würde?

Das Vorhaben war gewagt. Doch es scheint gut ausgegangen zu sein. Das zumindest versichern die Veranstalter, die vorher behauptet hatten, während des Konzerts seien die Besucher sicherer als draußen. "Wir haben seit vergangenem Juni daran gearbeitet, wie eine solche Veranstaltung aussehen müsste, damit eine sichere Rückkehr zur Kultur gelingen kann", sagte Boris Revollo, Arzt am Hospital Germans Trias in Barcelona und Mitglied des Expertenteams, das die Veranstalter medizinisch beraten hat. Am Dienstag stellten er und die anderen Mitglieder des Teams die Ergebnisse dieses Experiments vor.

"Es sind sehr beruhigende Daten", resümierte Josep Maria Llibre, Experte für Infektionskrankheiten. Konkret heißt das: 14 Tage nach dem Konzert wurden sechs Teilnehmer positiv getestet. Das entspreche einer Inzidenz von 131. Im gleichen Zeitraum lag die Inzidenz für die vergleichbare Bevölkerungsgruppe in Barcelona bei 260 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner. Von vier der sechs Positivgetesteten habe man zudem die Ansteckungskette nachvollziehen können und könne daher davon ausgehen, dass sie sich nicht auf dem Konzert, sondern außerhalb, etwa bei Familienmitgliedern, angesteckt haben.

"Ein neuer Maßstab für die Wiederbelebung der Kultur"

Offenbar hat das Konzept funktioniert. Schließlich fand das Konzert unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Musikpalast Sant Jordi, der eigentlich für 24 000 Menschen ausgelegt ist, wurde nur zu gut einem Fünftel gefüllt. Außerdem sei eine Belüftung sichergestellt worden, die in etwa einem Aufenthalt an der frischen Luft entspreche, so die Veranstalter. Bei allen Konzertbesuchern wurde am Tag der Veranstaltung in eigens geschaffenen Testzentren ein Antigen-Schnelltest durchgeführt. Mithilfe dieser Tests lasse sich mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass jemand gerade ansteckend sei, so Boris Revollo. Eingelassen wurde man nur mit negativem Testergebnis, sechs Personen wurde der Zutritt zur Konzerthalle wegen eines positiven Tests verwehrt.

Allen anderen wurde am Eingang noch einmal die Körpertemperatur gemessen, sie mussten zu jeder Zeit FFP2-Masken tragen und durften diese nur abnehmen, wenn sie in einem eigens abgegrenzten Bereich ein Getränk zu sich nahmen. "Es gab die Angst, dass die Leute sich nicht daran halten und die Masken abnehmen, sobald das Konzert losgeht, aber das war nicht der Fall", versicherte Infektiologe Llibre.

Der Andrang zu dem Konzert war gewaltig: Binnen 24 Stunden waren die Karten ausverkauft. Und nicht nur die Branche wertet den Versuch nun als Zeichen der Hoffnung. Auch die lokalen Behörden sehen ihn als Erfolg an. Der stellvertretende Bürgermeister von Barcelona, Jaume Collboni, schrieb auf Twitter, man stehe am Beginn einer neuen Situation, in der es möglich sei zu öffnen und zugleich die Sicherheit zu gewährleisten. Barcelona bilde einen neuen Maßstab für die Wiederbelebung der Kultur.

Kritische Stimmen bemängeln nach der Pressekonferenz vom Dienstag indes, dass eine Erklärung dafür ausstehe, warum es so lange gedauert hat, die Testergebnisse nach dem Konzert zu veröffentlichen. Ursprünglich war deren Veröffentlichung bereits vor zwei Wochen angekündigt gewesen. Zudem ist noch ungeklärt, warum zunächst von "mehr als 5000 Teilnehmern" am Konzert die Rede war, während die Experten nun von 4592 Teilnehmern sprachen. Offenbar hatten sich nicht alle Konzertbesucher bereit erklärt, im Nachgang noch einmal an den Tests teilzunehmen.

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