Großformat:Zwischen Seidenpapier

Der Architekt Ferdinand Kramer hat die Stadt Frankfurt geprägt. In seiner Arbeit galt er als Funktionalist. Diese Scherenschnitte zeigen: Er war auch ein Romantiker.

Von Laura Weißmüller

Die Feinheit ist bezaubernd. Auf winzigem Raum entstehen Massenszenen, werden Hände in den Himmel gereckt und Schiffssegel von Affen gespannt. Oder fliegt ein Greif über ein Riesenei. Jedes Detail ist herausgearbeitet, mit Schere und graubläulichem Papier, was den Szenen eine Lebendigkeit beschert.

Über 100 Jahre haben sie diese bewahrt. Etwa 1916 muss Ferdinand Kramer die Scherenschnitte für ein selbstgebautes Schattenspieltheater hergestellt haben. Zwischen Seidenpapier und in einer Mappe haben die DIN-A3-großen Blätter die Jahrzehnte überdauert, zwei Kriege und auch die beeindruckende Karriere des Architekten Kramer. Der baute zunächst mit am legendären Neuen Frankfurt der Zwanzigerjahre, als die Stadt sich als moderne Metropole neu erschuf, und entwarf dann nach dem Krieg der Stadt am Main so funktionale wie formschöne Gebäude. Dazwischen designte er immer wieder schlanke Möbel, sogar einen Regenschirm und einzelne wenige Kleidungsstücke. Trotzdem hätte man Kramer, der 1985 starb, diese filigranen Scherenschnitte, die vermutlich die Geschichte von Sindbad dem Seefahrer erzählen, nicht zugetraut.

"Er war im Grunde ein Romantiker", sagt Lore Kramer, seine Frau. Sie ließ die insgesamt 19 Scherenschnitte restaurieren und plant eine Publikation damit. Wer sie in ihrem Haus unweit des Mainufers besucht, das ihr Mann 1968 entwarf und das ihr gemeinsames Leben mit der Begeisterung fürs Reisen, für Keramik und schöne Formen bis heute bewahrt, kann ihr nur recht geben.

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