Großformat:Von Kappel in die Welt

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(Foto: Maria Lassnig Stiftung / VG Bild Kunst, Bonn 2019)

Die österreichische Künstlerin Maria Lassnig musste lange auf ihren Durchbruch warten. Dabei fiel bei ihr schon als Kind ihre besondere Begabung auf - und ihr außergewöhnlicher Blick auf die Welt. Diesen zeigt auch das nun aufgetauchte Selbstporträt.

Von Catrin Lorch

Es ist dieser Blick, an dem man die Künstlerin Maria Lassnig erkennen kann. Eine ungerührte, erstaunte Aufmerksamkeit, mit der sie die Welt betrachtet. Schon als Kind muss sie der Welt mit diesem Ausdruck begegnet sein: "Du hast so einen langsamen Blick", warf man dem Mädchen im österreichischen Kappel am Krappfeld vor, wo Maria Lassnig am 8. September vor 100 Jahren zur Welt kam. Doch fiel auch die außergewöhnliche künstlerische Begabung schon bald auf, ein Talent, das von der alleinerziehenden Mutter früh gefördert wurde. Maria Lassnig schaffte es sogar, mitten im Krieg in Wien von der Akademie aufgenommen zu werden - und auch gleich wieder hinausgeworfen zu werden, weil ihrem Professor ihre postkubistischen Bilder "entartet" vorkamen.

Dass die Außenseiterin zu den bedeutendsten Künstlern der Nachkriegszeit gehörte, dass es weltweit kaum ein vergleichbares malerisches Werk gibt, das übersah man lange - irgendwie gehörte Lassnig zwar fest zu den fortschrittlichen österreichischen Künstlern, als Malerin entwickelte sie ihr Werk aber abseits von Aktionskunst oder später Konzept. Und auch die Sammler, die Gemälde bevorzugten, konnten ihr eigensinniges Werk jahrzehntelang nicht wirklich schätzen. Nicht einmal die Szene in New York, wo Maria Lassnig Ende der Sechzigerjahre lebte, erkannte das Genie - weil Lassnig figurativ malte, weil ihre Palette keiner anderen glich, weil sie eine Frau war.

Nach ihrer Rückkehr wurde sie - als erste Frau überhaupt - mit über 60 Jahren als Professorin an die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien berufen. Wie manche andere Künstlerin hat Maria Lassnig ihren verspäteten Ruhm nur deswegen erlebt, weil sie sehr alt wurde. Ihr Werk wurde dann nicht nur bei der Biennale von Venedig oder in Ausstellungen wie der Documenta gefeiert, zügig holten auch Museen wie das Museum of Modern Art in New York das Versäumte nach und richteten der Österreicherin gewaltige Einzelausstellungen aus.

Das Selbstporträt, das erst kürzlich im Nachlass der im Jahr 2014 verstorbenen Lassnig aufgetaucht ist, lässt sich nun nicht leicht datieren, man schätzt, dass es irgendwann nach 1980 entstanden ist. Die Skizze mit irgendwelchen Fotografien der Künstlerin zu vergleichen, hilft nicht. Denn das alte Gesicht, das einen hier frontal ansieht, es besteht ja nicht aus Mund, Nase, Augen, Stirn und Haaren. Es ist ganz auf die Welt gerichtet mit diesem Blick, der alles andere in den Hintergrund treten lässt.

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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