Großformat:Sprühend vor Temperament

Die Zeichner des Studio Ghibli haben nach Astrid Lindgrens Kinderbuch "Ronja Räubertochter" eine Anime-Serie gestaltet, die man jetzt auch streamen kann.

Von Jonathan Horstmann

Wer den Betrieb seines Vaters übernimmt, erhofft sich nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern meistens auch elterliche Anerkennung. Gorō Miyazaki hatte es da nicht leicht. Sein weltberühmter Vater Hayao Miyazaki, der 1985 die Tokioter Animationsfirma Studio Ghibli gegründet und über Jahre von einem Erfolg zum nächsten geführt hatte, war wenig begeistert, als sein Sohn dort einen eigenen Film namens "Die Chroniken von Erdsee" (2006) vorstellte. Er fand das Ergebnis handwerklich unreif. Gorō solle mit dem Filmemachen besser wieder aufhören, riet er ihm.

Es war ein hartes Urteil von jemandem, der wusste, wovon er redete. Zwei Jahrzehnte lang hatte Hayao Miyazaki mit den Künstlern seines Studios neue, aufregende Formen des visuellen Erzählens im Anime-Genre etabliert. Vielen galt er seit dem Film "Mein Nachbar Totoro" (1988) als Walt Disney des japanischen Kinos. Sein Zeichentrick-Abenteuer "Chihiros Reise ins Zauberland" (2001) feierte Erfolge auf der ganzen Welt. Er sprach erwachsene Zuschauer ebenso an wie Kinder, erhielt den Goldenen Bären und einen Oscar.

Trotz des schweren Starts behauptete auch der junge Miyazaki sich einige Zeit als Regisseur bei Ghibli. An die Triumphe seines Vaters, der sich bald in den Ruhestand verabschiedete, konnte er dabei nicht anknüpfen. Die goldene Ära des Studios endete, 2014 kam es zum Produktionsstopp. Ob es weitere hauseigene Anime-Filme geben wird, ist ungewiss. Miyazaki und sein Team sattelten zuletzt aufs serielle Erzählen um und entwickelten nach Astrid Lindgrens Kinderbuch die Serie "Ronja Räubertochter" (2014), die man bei Amazon seit einigen Wochen streamen kann.

In den dafür angefertigten Skizzen der berühmten Zeichner sprüht die kleine Ronja schon im frühen figürlichen Entwicklungsstadium vor Temperament und Bewegungsfreude. Es scheint, als wollte Miyazaki den vielen jungen Heldinnen des Ghibli-Kinos mit ihr noch einmal seine künstlerische Reverenz erweisen. Egal wie die Zukunft des Studios aussieht: Niemand soll behaupten, er habe vom Vater nur den Namen und nicht auch das besondere Animationstalent geerbt.

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