Süddeutsche Zeitung

Bilder:Mit der Kamera gegen Lawrence von Arabien

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Die Bildersammlung der Bayerischen Fliegerstaffel 304: Sie wirken als seien hier weniger Militärs am Werk gewesen als Touristen.

Von Jörg Häntzschel

Es war eine "einzigschöne Feier", heißt es im Kriegstagebuch, dieses Weihnachtsfest 1917. Wenn es auch etwas anders ausfiel, als die Mitglieder der bayerischen Fliegerstaffel 304 es gewöhnt waren. Nicht nur wegen des Programms, das die "Theaterkräfte der Abteilung" aufführten, eher Varieté als Krippenspiel. Sondern vor allem, weil man sich in Palästina befand.

Die Deutschen halfen an diesem Nebenschauplatz des Ersten Weltkriegs den Osmanen, ihre Provinzen Syrien und Palästina gegen die Briten unter General Allenby und Thomas Edward Lawrence zu verteidigen - den Lawrence, Lawrence of Arabia. Sie warfen auch mal Bomben. Doch ihre eigentliche Mission war das Fotografieren. Hinter dem Piloten saß ein "Beobachtungsoffizier", der die Kamera bediente. Systematisch flogen sie Palästina, Libanon, Syrien und Ägypten ab und machten dabei innerhalb eines Jahres 2500 Luftbilder, eine einzigartige Bestandsaufnahme der Region. Ihr Hauptinteresse galt feindlichen Lagern, Straßen, Eisenbahnlinien. Doch betrachtet man die Bilder - sie liegen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv - sieht es so aus, als seien hier weniger Militärs am Werk gewesen als Touristen auf Grand Tour, Kulturforscher. Sie fotografieren die Pyramiden in Gizeh, gehen im Tiefflug über Damaskus und Jerusalem.

Wenn sie Zeit hatten zwischen ihren Einsätzen - und sie hatten sehr viel Zeit - besuchten sie diese Stätten selbst: "Rest der Abteilung unternimmt Spaziergänge in der Umgebung; Autofahrten nach Beyruth und Baalbeck", heißt es im Eintrag vom 10.10.1917. Und am 25.1.1918: "Offizierstellvertreter Schreiner und Pionier Schöllhorn reisen zur Anfertigung von fotografischen Aufnahmen von Damaskus, Balbeck und Beyrut ab." Dass bei einer Spritztour der Offiziere im Juni 1918 zwei der wenigen Maschinen zu Bruch gingen war peinlich, aber verzeihlich. Das Interesse der Flieger kam nicht von ungefähr. Die Offiziere entstammten dem Bildungsbürgertum; die meisten besaßen ein humanistisches Abitur. Viele der Flieger hatten sich aus kulturellem Interesse für den Einsatz beworben. Zwei der zwölf Offiziere waren Juden.

Etliche Aufnahmen entstanden aber auch im Auftrag des "Deutsch-Türkischen Denkmalschutzkommandos", das der Archäologe Theodor Wiegand leitete, der Mitgründer des Berliner Pergamonmuseums. Wenn die Flieger nicht gerade antike Stätten besichtigen, sieht man sie in urlaubsmäßiger Ausgelassenheit. Sie veranstalten Sportfeste, gehen auf den Markt, dressieren Bären, verlieben sich in jüdische Frauen, machen Musik mit der "Orientkapelle" und gehen baden - wie das Quartett auf diesem Bild. Von der Uniform bleibt oft kaum mehr als die Mütze, ein neckisches Accessoire. Es ging ihnen ja tatsächlich vergleichsweise gut. Der Erste Weltkrieg hat auf den Bildern mehr mit einem Indiana-Jones-Abenteuer zu tun als mit dem Massentod an der Westfront.

Dennoch: Etliche Flieger erkrankten an Malaria und Typhus, wurden abgeschossen, kamen in Gefangenschaft. Auch für die anderen war es mit der Fliegerei allerdings bald vorbei. Von den gut 50 Flugzeugen der fünf bayerischen Bataillone waren am Ende nur noch drei flugtauglich. 1918 wurden sie in einer fitzcarraldohaften Aktion mit der Eisenbahn nach München zurückgeschafft. Was blieb, waren die Bilder.

Die vollständige Bildersammlung finden Sie auf der Webseite des Bayerischen Hauptstaatsarchivs.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2015
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