Großformat:Kampf ums Klima

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Im Amazonasgebiet brennt wieder der Wald. Es ist eine ökologische Katastrophe, die politisch durchaus gewünscht ist, so die Aktivisten und Wissenschaftler von der Gruppe "Conflict Shorelines".

Von Jörg Häntzschel

"Die Fahrt nach Wederã ist wie eine Reise durch den Klimawandel", erzählt der Architekt Paulo Tavares. Er war kürzlich mit seinen Studenten in diesem Dorf im Südosten Brasiliens, um gemeinsam mit den indigenen Bewohnern die Abholzung der Wälder rings um das Dorf zu dokumentieren. Die Umwandlung des Walds zu Sojafarmen und Rinderweiden bedroht die Existenz der Stämme.

Es geht hier um Klimawandel, aber um einen regionalen, und er ist nicht das Ergebnis von jahrzehntelanger Luftverschmutzung, sondern von politischen Interessen und Marktkräften. Angetrieben von einer überholten Wachstumsideologie und hohen Rohstoffpreisen verfolgt Brasiliens linke Regierung heute dasselbe Ziel wie die Generäle während der Militärdiktatur (1964-1984): die "Modernisierung" des Amazonasgebiets. Sie baut neue Straßen, Dämme, Bergwerke, gibt immer mehr Wald zur Rodung frei und überlässt das Land Konzernen, die es in Hightech-Plantagen verwandeln. Eine Reihe neuer Gesetze, für die sich vor allem die politisch mächtigen Großgrundbesitzer einsetzen, würden die Rechte der Ureinwohner und den Schutz der Wälder einschränken. Auch die Morde an indigenen Aktivisten und Umweltschützern nehmen wieder zu.

Tavares beschäftigt sich seit langem mit dem Kampf der Agrarindustrie gegen die Ureinwohner. Sein Kollege aus Princeton, der Wissenschaftler und Aktivist Eyal Weizman, untersucht und dokumentiert solche Konflikte mit den Mitteln der Forensik. Gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler Eduardo Cadava und dem deutsch-italienischen Fotograf Armin Linke gründeten sie das Projekt "Conflict Shorelines", mit dem sie die ökologischen und politischen Implikationen des Klimawandels erforschen und die öffentliche Debatte fördern wollen.

Für Tavares ist die Zerstörung des Amazonasgebiets eine Neuauflage des Kolonialismus; und das trockenere, für die Landwirtschaft günstigere Klima, das dabei entsteht, ist nicht nur Nebeneffekt, sondern Waffe: "Rodung, Klimaveränderung und politische Gewalt gehören eng zusammen." Dass dieser regionale Krieg um das Klima auch für das Weltklima fatale Folgen haben wird, ist ohnehin klar.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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