Großformat:Diskurs in Tönen

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Eigentlich sollte Manfred Trojahn ein Beethoven-Porträt komponieren und keinen Grundsatzmonolog über Kunst und Künstler. Es wird die längste Briefszene der Operngeschichte.

Von Helmut Mauró

Der Komponist Manfred Trojahn gehört, zumindest unter den lebenden, zu den renommierteren seines Fachs. Zudem lehrte er in Düsseldorf und Oxford, bevor er sich nun ganz dem Komponieren widmen konnte. Vor Kurzem hatte seine Oper "Orest" in Wien Premiere (SZ vom 4. April), wo sie begeistert aufgenommen wurde. Derzeit feilt er an den letzten Takten seines neuen Musiktheaterstücks "Ein Brief - eine reflexive Szene" für Bariton, Streichquartett und Orchester, woraus hier schon mal eine Seite zu sehen ist. Das Stück beruht auf Hugo von Hofmannsthals fiktivem Brief, den Philipp Lord Chandos, jüngerer Sohn des Earl of Bath, an Francis Bacon, später Lord Verulam und Viscount St. Albans, richet, um sich bei diesem wegen des gänzlichen Verzichtes auf literarische Betätigung zu entschuldigen.

Der Text ist konzentrierter Ausdruck der Kulturkrise an der Schwelle zur Moderne, wie sie sich am Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte. Letztlich geht es um die Frage: Was will Kunst und wie kann sie es erreichen. Hofmannsthal geht es um eine zeitgemäße, neue Poetik; Trojahn jetzt vor allem darum, dass die Frage weiterhin relevant ist. "Es wird vermutlich die längste Briefszene der Operngeschichte", sagt Trojahn nicht ohne Stolz. Sie wird trotz Kürzungen des zugrunde liegenden Textes etwa 45 Minuten dauern und - "natürlich passiert nichts". Trojahn denkt dabei an ein Schwesterstück zu "Gramscis Asche" von Pier Paolo Pasolini und dessen Fragen zur Sprachästhetik und Künstlerproblematik.

Anlass für das neue Bühnenwerk von Trojahn war ein Auftrag der Oper Bonn zu Beethovens 250. Geburtstag im nächsten Jahr. Trojahn verweigerte das Naheliegende, Beethoven anhand von dessen Musik zu charakterisieren und setzte grundsätzlicher an. Das Ergebnis ist ein hermeneutischer Diskurs in Tönen. "Beethoven", sagt Trojahn, "der eigentlich als erster mit ästhetischen Problemen gekämpft hat, wird damit durchaus charakterisiert". Inwiefern das Ganze theatertauglich ist, wird man sehen. Die von Reinhild Hoffmann zu inszenierende Uraufführung soll im Februar 2020 in Bonn stattfinden. Anschließend wird das Stück ans Theater an der Wien reisen.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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