Großformat:Die Grafikerin Lora Lamm

Lesezeit: 2 min

Das legendäre Warenhaus La Rinascente in Mailand verkaufte im Italien der Fünfzigerjahre eine Welt der Eleganz. Die Plakate, von der Schweizerin Lora Lamm entworfen, wirken federleicht modern.

Von Laura Weißmüller

Paris oder Mailand war damals, kurz nach dem Krieg, die Frage. Lora Lamm hat sich für Mailand entschieden. "Ich war richtig betrunken von dieser Stadt", sagt die Schweizer Grafikerin und erinnert sich an die Zeit, als sie frisch von der Züricher Kunstgewerbeschule in die damals noch zerstörte Großstadt zog: "Alles war damals am Anfang und fing erst an zu wachsen, wie Pflanzen, die langsam aus dem Boden kamen."

Lamm war Anfang der Fünfziger mittendrin in diesem kreativen Erwachen. Als Grafikerin gestaltete sie etwa zehn Jahre lang das visuelle Erscheinungsbild von La Rinascente, einem der weltweit bedeutendsten Warenhäuser. Mit den Kaufhäusern von heute ist es kaum zu vergleichen, eher mit einem Universum für sich, wo Giorgio Armani damals die Schaufenster dekorierte und ein Team sich ausgefeilte Werbekampagnen für die betuchten Kunden überlegte.

Lora Lamm hat diese dann umgesetzt, vom Plakat über die persönliche Grußkarte bis zum Preisschild, mit Pinsel, Schere, Farbe, Wasser und Papier und vor allem ihrem ganz eigenen Stil. Dabei war Lamms erster Entwurf immer klein, geradezu winzig, nicht größer als zehn Zentimeter. "Was so klein funktioniert, funktioniert auch groß aufgeblasen", sagt die heute 90-Jährige - und das stimmt, wenn man mit ihr im Depot des Museums für Gestaltung in Zürich ihre handtellergroßen Originale aus den Fünfzigern mit den gedruckten Plakaten vergleicht. Was die Arbeiten, egal ob klein oder groß, dabei immer auszeichnet: Lamms leichter, fast poetischer Strich, als wären die Figuren, Parfümflakons und Gartenblumen nur kurzer fröhlicher Gast auf dem Papier.

Was nicht bedeutet, dass Lamms Motive nicht perfekt in Szene gesetzt waren: "Ein Entwurf muss wie ein Kleid passen, er musste immer ich sein." Die Grafikerin hat nie Kompromisse gemacht - und auch nicht machen müssen. "Die Freiheit war großartig! Es war eine übermütige Zeit." Italiens Wirtschaftswunder fing an, die Konfektionskleidung löste den Schneider ab, die Italienerinnen wollten eingekleidet werden.

Doch nicht nur Lora Lamms Zielgruppen waren vor allem weiblich, sondern auch ihre Motive. Dabei gelang der Grafikerin ein Kunststück, das auch 50 Jahre später und nach "Me Too" ihre Arbeiten frisch erscheinen lässt. Denn Lamm bleibt bei Andeutungen, wo andere explizit werden müssen, um ihre Botschaft zu vermitteln. Es ist denn auch kein sexualisierter Blick, den Lora Lamm auf die Frau richtet, sondern ein komplizenhafter. Kein Wunder: So mutig, humorvoll, elegant und selbstsicher wie ihre Motive ist bis heute auch ihre Schöpferin.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: