Süddeutsche Zeitung

Grossformat:Der Unbekannte

Über das Bauhaus weiß man fast alles - Hin Bredendieck ist jedoch eine Ausnahme. Soeben sind 20 Kisten aufgetaucht, die der Designer hinterließ. Darunter ist auch diese Collage.

Von Jörg Häntzschel

Im Katalog der kürzlich in Berlin gezeigten Ausstellung zum "New Bauhaus" ist ein Foto mit dessen Protagonisten zu sehen. Alle lächeln, außer einem. Und der hat keinen Namen. "Unbekannt", steht in der Legende.

Es handelt sich um Hin Bredendieck, geboren 1904, einen der ganz wenigen, dessen Spur sich inmitten der durch und durch erforschten Bauhaus-Geschichte verloren hatte. Gloria Köpnick vom Oldenburger Landesmuseum ließ der Mann keine Ruhe. Mit viel Detektivarbeit ist es ihr gelungen, das Puzzle von Bredendiecks Vita zusammenzusetzen. Aus den über 20 Kisten mit Dokumenten und Arbeiten Bredendiecks, die sie in Irland gefunden hat, will sie 2019 eine große Ausstellung machen.

In den Kisten stieß sie auf diese Fotocollage, eine von nur zweien. Bredendieck, der in dicken Mappen Zeitungsclippings zu allen möglichen Themen sammelte (Hitler, Autounfälle), hat eine Reklamefrau und ein Foto von sowjetischen Kolchosbauern gegeneinander geschnitten, die 1932 gegen die "Kulaken" genannten selbständigen Bauern demonstrierten.

Bredendiecks eigentliche Spezialität war das Möbeldesign. 1927 schrieb er sich am Bauhaus in Dessau ein. Von da an war er immer am Zentrum des Geschehens. 1930 ging er nach Berlin, wo er in László Moholy-Nagys Atelier arbeitete. Zwei Jahre später holte ihn Siegfried Giedion nach Zürich. Und 1937 emigrierte er mit seiner amerikanischen Frau nach Chicago, wo die Exilierten die Bauhaus-Tradition fortsetzten, bis das Geld ausging. Gestorben ist er 1995 in Georgia. Was er an all diesen Orten machte und was es auf sich hat mit der Frau und Stalins Bauern, das hofft Köpnick jetzt herauszufinden.

Hinweis

Auf dieser Seite zeigen wir jede Woche neue, unbekannte oder verschollene Werke von Künstlern, Autoren, Architekten, Komponisten, Regisseuren und Designern. Sie sprechen für sich selbst, wir erzählen die Geschichte ihrer Entstehung.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2018
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