Süddeutsche Zeitung

Großformat:Der Meister steckt im Detail

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1932 entwarf Ludwig Mies van der Rohe eine Trinkhalle in Dessau. Wir zeigen zum ersten Mal die Zeichnung für das vermutlich kleinste Gebäude des Großmeisters.

Von Laura Weissmüller

Selbst in den Katalogen zum Werk von Ludwig Mies van der Rohe taucht sie nicht auf: seine Trinkhalle aus dem Jahr 1932. Diese "Halle" blieb nicht nur der einzige realisierte Entwurf des Architekten in der Bauhaus-Stadt Dessau, sie war auch winzig, eher ein umbauter Mauer-Durchbruch denn ein richtiges Gebäude. Das dürfte Mies gestört haben, schließlich hatte er - wenn auch nur auf Papier - schon spektakuläre Hochhäuser entworfen. Anmerken aber ließ er es sich nicht. Von dem Kunsthistoriker Aby Warburg borgte er sich den Satz "Gott steckt im Detail" und setzte alles daran, den Minimalismus beim Umbau der Gartenmauer um Walter Gropius' "Meisterhaus" mit maximalen Mitteln zu betreiben.

Die Bleistiftzeichnung auf Transparentpapier, die wir hier erstmals zeigen und die sich im Besitz der Stiftung Bauhaus Dessau befindet, macht Mies van der Rohes Eifer sichtbar: Der Stahlrahmen des Fensters, hinter dem vor allem Milch und gesunde Säfte verkauft wurden, lief auf Rollen und konnte komplett in der Wand verschwinden. Das Foto, das Fritz Schreiber 1932 machte, zeigt die Trinkhalle in Betrieb. Sie sah aus, als sei ihre Öffnung wie mit einem Messer in die Mauer geschnitten worden.

Wie üblich bei Mies, hat der Architekt den Entwurf übrigens nicht selbst gezeichnet. Das übernahm Eduard Ludwig, sein Lieblingsschüler am Bauhaus. Vom Meister persönlich könnte aber zumindest das "ungültig" auf der Skizze stammen. Warum es so schwungvoll über der Trinkhalle schwebt, als wolle es diese gleich rauskegeln, weiß man nicht. Das vermutlich winzigste Gebäude von Mies van der Rohe wurde jedenfalls genau nach dieser Zeichnung realisiert. Es überstand im Gegensatz zu den "Meisterhäusern" den Zweiten Weltkrieg und wurde trotzdem 1970 abgerissen. Dass nicht Gott, aber Meister Mies in diesem Detail steckte, war offenbar egal.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2015
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