Großformat:Als Leika Mickey Mouse traf

Die Zeichnungen des Berliner Illustrators Klaus Ensikat über Juri Gagarins erste bemannte Weltraumfahrt mitten im Kalten Krieg lagerten jahrelang im Archiv. Wir zeigen sie zum ersten Mal.

Von Roswitha Budeus-Budde

Ob sich Klaus Ensikat, der bekannte, mit vielen Preisen ausgezeichnete Ost-Berliner Illustrator - er feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag -, wirklich an alle Titel seines Œuvres erinnert? So um die 200 Bücher mögen es sein, von den Klassikern der Weltliteratur bis zu Kinderbilderbüchern, vom "Faust" über die "Bremer Stadtmusikanten" bis zum "Alten Testament", die er mit seinem markanten Zeichenstrich illustrierte. Doch eine Arbeit lagert unveröffentlicht in seinem Archiv, die ihn immer noch beschäftigt, seine Bilder zu einer Erzählung über Juri Gagarin. Das Buch sollte bis zum 12. April 2011, dem 50. Jahrestag der ersten bemannten Weltraumfahrt, fertig sein. "Wir waren einfach zu spät", erinnert er sich, "und der Verlag in Leipzig merkte, dass wir unmöglich den Jubiläumstermin einhalten konnten, und kippte das Projekt". Drei der zehn Bilder von damals sind hier nun erstmals zu sehen.

Neben dem Porträt von Juri Gagarin, als friedfertig lächelndem sozialistischen Held, zeigt das untere Bild die Landung des Astronauten in der Nähe des russischen Dorfes Smelowka, eine Szene, die in die Geschichtsbücher einging, wie Großmutter, Enkelin und Kuh ihn beobachten. Doch diese Landung war schon Propaganda, in der Realität verlief sie sehr gefährlich. Aber der Kalte Krieg zwischen der USA und der UdSSR fand zu dieser Zeit seinen technischen und propagandistischen Höhepunkt im Wettlauf um die Eroberung des Weltraums. Eine Allegorie dieses Krieges inszenierte Ensikat auf dem großen Bild. Er vereint die Ikonen russischer Propaganda - Lenin, Stalin, Marx, den Sputnik und die Hündin Leika - mit den Insignien amerikanischer Lebensart.

Ensikats Illustrationskunst, Stahlfeder auf Papier, mit der er schon in der DDR sehr erfolgreich war, besticht mit großer Detailtreue. Durch die Nähe zum Kupferstich vermitteln sie oft einen fast biedermeierlichen Eindruck, bis man plötzlich ironische Zitate entdeckt. Sie durchbrechen das klassische Ambiente der Illustrationen und erinnern an Pop-Art. Und so verheißt seine Freiheitsstatue, als Symbol Amerikas, statt Freiheit die Aussicht auf Coca-Cola und auf die wichtigste Filmfigur des Disney-Imperiums. Denn, so der Kommentar des Meisters: "Wir wissen ja, Mickey Mouse hat diesen Kalten Krieg gewonnen." Mit dieser Art ironischer Distanz spielt er auch, wenn Ensikat über sein Werk redet: "Das kann jedem passieren, eigentlich war alles Zufall, irgendwann hat man den Entwurf von Puddingpulverpackungen mal über." Oder wenn er Ehrungen erfährt. Die Verleihung des Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk 1995 nannte er einen "Nekrolog zur Lebenszeit". Er sieht sich immer noch als Handwerker, auch weil es ihm bis heute nicht gelingt, den Computer einzuschalten.

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