Archäologie:Warum der Palast von Knossos doch nicht privatisiert wird

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Der Palast von Knossos wurde nach Protesten von der Privatisierungsliste wieder gestrichen. (Foto: Getty Images)

Seit Monaten kursierten Gerüchte, Griechenland könne aus Finanznot Tausende staatliche Objekte einem sogenannten Superfonds übergeben - und damit sein antikes Erbe verkaufen.

Von Christiane Schlötzer

Ariadne, Tochter des mythischen Kreter-Königs Minos, gab ihrem Geliebten Theseus einen Faden, womit dieser wieder aus dem sagenhaften Labyrinth herausgefunden hat. Der Mythos ist bis heute so mächtig, dass der fast 4000 Jahre alte minoische Palast von Knossos, wo sich der Legende nach das Labyrinth befunden haben soll, zu den größten Touristenattraktionen Kretas zählt. Das soll der Palast auch bleiben. Die griechische Regierung hat jetzt eine Liste von 2330 archäologischen Stätten und Denkmälern erstellt, die nicht privatisiert werden dürfen, und zwar unter gar keinen Umständen. "Wir können nun beruhigt sein", sagte Kulturministerin Myrsini Zorba am Dienstag in Athen, das historische Erbe werde "per Gesetz" geschützt. Wie könnte es auch anders sein?

Die Ministerin hatte gute Gründe, Ängste zu vertreiben, Griechenland könnte aus purer Finanznot eines Tages sein antikes Erbe verkaufen. Denn seit Monaten gibt es Gerüchte über eine Liste mit mehr als 10 000 staatlichen Objekten. Die Liste wurde, so heißt es, vom Finanzministerium zusammengestellt und an den sogenannten Superfonds übergeben.

"Kein Land der Welt würde aus welchem Grund auch immer sein kulturelles Erbe privatisieren."

An diesen Fonds wird für 99 Jahre ein großer Teil des griechischen Staatsbesitzes übertragen, darunter die zur Privatisierung vorgesehenen Grundstücke, Immobilien und auch ein paar eher abgelegene Inseln. Die Einrichtung des staatlichen Fonds war eine Auflage der internationalen Kreditgeber, als Griechenland 2015 sein drittes und letztes Milliardenhilfsprogramm erhielt. Der Fonds dient quasi als letzte Sicherheit, sollte Athen den Schuldendienst einfach einstellen. Im vergangenen August hat das Land zwar den Status des Hilfsempfängers hinter sich gelassen, nicht aber seine finanziellen Verpflichtungen. Und dazu gehört die Privatisierung von Staatsbesitz, mit der es - zum Ärger der Kreditgeber - nie recht voranging.

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Die genaue Zahl der Monumente auf der Liste des Finanzministeriums soll sogar 10 119 betragen. Sie wird in einer Klage genannt, die von der Vereinigung der Archäologen (AGA) und fünf Gemeinden, darunter Sparta und Patras, schon 2018 vor dem höchsten griechischen Verwaltungsgericht erhoben wurde. Die Vereinigung der Angestellten des Kulturministeriums rief dann im vergangenen Oktober zu einem Streik auf, 24 Stunden blieb die Akropolis in Athen geschlossen. Ihr Vorsitzender Grigoris Vafiadis sagte: "Kein Land der Welt würde aus welchem Grund auch immer sein kulturelles Erbe privatisieren."

Das Kulturministerium versuchte schon damals, die Archäologen und die klagenden Kommunen zu beruhigen, weigerte sich aber, genauere Angaben darüber zu machen, welche Objekte nun tatsächlich geschützt werden sollten. Etwa 100 Millionen Euro nimmt der griechische Staat jährlich mit den archäologischen Stätten und Museen ein, überwiegend aus dem Ticketverkauf. Während der Krise wurde auch hier Personal abgebaut.

Zorba trat erst im vergangenen September ihr Amt an, im Oktober gab sie dann zu, womöglich seien "Fehler" bei der Aufstellung der Liste des Finanzministeriums gemacht worden. Sie sagte auch, sie habe das Finanzressort gebeten, ihr den Katalog zu übergeben, "um den Kreis des Zweifels zu schließen". Mit dieser Aussage sorgte die Ministerin dann erst recht für Verwirrung, weil sie offenbar selbst nicht wusste, was auf der Privatisierungsliste stand.

Was könnte ein Investor mit dem venezianischen Hafen im kretischen Chania anfangen?

Nun wird auch die griechische Bürokratie bisweilen als Labyrinth beschrieben, wobei in diesem Fall womöglich den Beamten des Finanzressorts ein roter Faden fehlte, um sich mit ihren Kollegen aus der Kulturbehörde zu treffen, für einen gemeinsamen Blick auf die Liste. Denn dann hätten die Beteiligten sicher rasch festgestellt, dass der Palast von Knossos auf einer möglichen Privatisierungsliste nichts zu suchen hat, weil er ein unveräußerliches Kulturgut ist. Gleiches gilt für die Ausgrabungsstätte der makedonischen Königsgräber von Vergina, die Unesco-Weltkulturerbe sind. Der Weiße Turm von Thessaloniki ist zwar längst nicht so alt, er stammt aus dem 15. oder 16. Jahrhundert, aber der Wehrturm ist das Wahrzeichen der zweitgrößten griechischen Stadt - ist also auch unverkäuflich. Und was könnte ein Investor mit den byzantinischen Seemauern der nordgriechischen Stadt Kavala anfangen? Oder mit dem venezianischen Hafen im kretischen Chania? Den Resten des mythischen Tempels von Elefsina? "Da gibt es doch keine Entwicklungsmöglichkeit", sagt ein griechischer Archäologe, der nicht weiß, ob er eher in homerisches Gelächter ausbrechen oder sich doch ärgern soll, "dass wir immer noch nicht gut organisiert sind". Der Mann arbeitet in einem historischen Gebäude, das auch auf der Liste des Finanzressorts steht. Was er auch beklagt: "Wir haben immer noch kein richtiges archäologisches Kataster."

In einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag schlugen die Archäologen noch einmal Alarm. "Vier Monate sind vergangen, das Kultur- und das Finanzministerium haben acht Erklärungen abgegeben", immer sagten sie, "alles ist gut", aber es fehle weiter an Klarheit. Die Archäologen veröffentlichten dann ihrerseits eine Liste mit 587 historischen griechischen Stätten, die auf jeden Fall von der Privatisierung ausgenommen werden müssten.

Darauf hat Zorba nun reagiert, ihre Liste umfasst genau 2329 unverkäufliche Monumente, darunter die hier genannten. Sie werden alle aus dem staatlichen Katalog für den Superfonds gestrichen. Die Liste der Kulturministerin soll noch veröffentlicht werden.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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