Süddeutsche Zeitung

"Grenzenlos" im Kino:Liebe zwischen Terror und Tiefsee

  • Die Geschichte von Wim Wenders' neuem Spielfilm "Grenzenlos" basiert auf dem Roman "Submergence" des schottischen Kriegsreporters J. M. Ledgard.
  • Er erzählt die Liebesgeschichte von Danielle und James, einer Biomathematikerin und eines Geheimagenten.
  • Vieles in diesem Film ist eine schöne Idee, nur wünschte man sich dabei ein wenig mehr Luft und Leichtigkeit.

Von Anke Sterneborg

Nach seinem Dokumentarfilm über Papst Franziskus, der kürzlich im Kino startete, läuft in dieser Woche Wim Wenders' neuer Spielfilm "Grenzenlos" an. Die Story basiert auf dem Roman "Submergence" des schottischen Kriegsreporters J. M. Ledgard. Sie beginnt mit einer Liebesgeschichte zwischen Danielle und James, die von Alicia Vikander und James McAvoy gespielt werden, zwei Jungstars, die regelmäßig in Hollywood Blockbuster drehen, aber zwischendrin weiterhin auch kleinere, persönliche Projekte wie dieses angehen.

Das Paar lernt sich an der Küste in der Normandie kennen, leere, weiße Strände, malerische Dünen, glitzerndes Meer, blauer Himmel, wilde Klippen. Dazu ein hübsches Romantik-Hotel. Ein paradiesischer Ort, an dem von der Unruhe in der Welt nichts zu spüren ist, wie geschaffen für eine junge Liebe. Er ist für Danielle und James aber auch ein Rückzugsort, an dem sie sich auf riskante Missionen vorbereiten. Sie ist Biomathematikerin und will in den tiefsten Tiefen des Ozeans den Ursprung und damit zugleich auch die Zukunft des Lebens erforschen.

Er ist Geheimagent des britischen MI6 und soll in Somalia eine islamistische Terrorzelle auskundschaften, die in Europa eine Anschlagsserie vorbereitet. Damit sind zwei Problemkomplexe der Gegenwart vorgegeben, die systematische Ausbeutung des menschlichen Lebensraumes und die Gefahren des islamistischen Terrors. Wissenschaft und Glaube, verknüpft durch die Liebe. Dass beide auf unterschiedliche Weise die Welt retten wollen, liefert zwischen Philosophie, Religion und Wissenschaft jede Menge Stoff für Gespräche beim Candle-Light-Dinner und auf langen Strandspaziergängen. Wie so vieles in diesem Film ist das eine schöne Idee, nur wünschte man sich dabei ein wenig mehr Luft und Leichtigkeit.

Der Film erzählt seine Geschichte über den ganzen Erdball hinweg

Der Auftrag, verschiedene Lebensanschauungen und Lösungsansätze zu illustrieren, bremst die Liebesgeschichte eher aus. Aber vielleicht ist die Leichtigkeit in der komplizierten Welt des 21. Jahrhunderts auch einfach unwiederbringlich dahin. Nach einigen romantischen Stunden müssen die beiden sich trennen. Es beginnt ein Trip ins Herz der Dunkelheit, wo Danielle und James dem Originaltitel "Submergence" entsprechend auf unterschiedliche Weise untergetaucht und eingeschlossen sind. Sie beginnt eine gefährliche Meeresmission, er wird von Dschihadisten gefangen genommen.

In auswegloser Lage werden die immer wieder aufflackernden Erinnerungen an das kurze, intensive Glück zum Fluchtpunkt.

Mehrmals erscheint Danielle dem vor Hunger und Todesangst delirierenden James wie eine überirdische Engelsgestalt. Während er von der islamistischen Terrormiliz in einem dunklen Loch gefoltert wird und sie in den finsteren Tiefen des atlantischen Ozeans in einem gelben Unterseeboot eingeschlossen ist, treffen sie sich in Erinnerungen und Träumen wieder. Nur wirkt die Analogie zwischen den unterschiedlichen Missionen immer wieder arg erzwungen. Und die merkwürdige Vorstellung eines Dschihadisten-Camps am Strand von Somalia erfüllt vor allem den dramaturgischen Zweck, beide Erzählstränge ans und ins Wasser zu verlegen.

Der Film erzählt seine Geschichte über den ganzen Erdball hinweg, von Frankreich und Deutschland über Somalia bis nach Island, womit Wim Wenders an sein weltumspannendes Road Movie "Bis ans Ende der Welt" (1991) anknüpft, und an all die anderen Filme, mit denen er die verschiedensten Regionen der Welt bereist hat, von der texanischen Wüste in "Paris, Texas" (1984) bis ins arktische Eis von "Everything Will Be Fine" (2015). Nur leider nimmt er sich dieses Mal keine Zeit für die Wege.

Die kontemplative Ruhe, die seine besten Filme auszeichnete, gibt es hier nur kurze Zeit, im unwirklich schönen Paradies der Normandie. Danach wird die Kontinuität des Erzählens im hektischen Wechsel zwischen schmerzlicher Gegenwart und romantischer Vergangenheit zerschreddert.

Submergence, Deutschland, USA, Frankreich, Spanien 2017 - Regie: Wim Wenders, Buch: Erin Dignam nach dem Roman von J. M. Ledgard. Kamera: Bruno Debie. Mit: Alicia Vikander, James McAvoy, Alexander Siddig, Reda Kateb, Godehard Giese. Warner, 112 Minuten.

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SZ vom 02.08.2018/doer
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