Süddeutsche Zeitung

Graphic Novel:Bergecho

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Eigentlich seltsam, dass es unter den großen Stars der Marvel-Welt trotz Kletterfex Spiderman keinen Bergsteiger gibt. Immerhin gibt es den Bergfex Reinhold Messner jetzt in einer Graphic Novel des Italieners Michele Petrucci.

Von Titus Arnu

Warum ist eigentlich unter den Superhelden des Marvel-Universums kein Extrembergsteiger? Die Fähigkeiten dazu hätten einige Figuren. Spider-Man kann an glatten Häuserwänden kleben wie eine Spinne. Mister Fantastic ist in der Lage, Arme und Beine wie Gummi zu dehnen, was in einer Kletterroute der obersten Schwierigkeitsgrade ganz hilfreich wäre. Squirrel Girl, deren Kraxel-Fähigkeiten auf Eichhörnchen-Genen beruhen, flitzt senkrecht Bäume hoch und runter - und hat einen buschigen Schwanz, der wahrscheinlich besser wärmt als jeder Expeditionsschlafsack.

Reinhold Messner stammt nicht vom Planeten Krypton, obwohl er manchmal kryptische Dinge von sich gibt, sondern aus dem Vilnösstal in Südtirol. Er wurde, soweit bekannt ist, weder radioaktiv verstrahlt wie Spider-Man, noch wurde sein Erbgut in einem Primatenlabor mit Gibbon-Genen gekreuzt. Trotzdem ist er der größte lebende Bergsteiger, der als erster Mensch alle Achttausender ohne Sauerstoffflasche bestiegen hat, einige davon im Alleingang. Es ist fast folgerichtig, dass der Superheld der Berge nun zum Helden eines Comics wird.

Das Werk des italienischen Zeichners Michele Petrucci heißt "Reinhold Messner - Das Leben eines Extrembergsteigers". Es zeigt den berühmten Bergfex allerdings nicht als klischeehaften Heroen, und schon gar nicht als cartoonhafte Witzfigur, die mit Yetis herumalbert. Messner selbst hat bei der Ausarbeitung der Graphic Novel mitgewirkt. Die Sprechblasen sind Monologblasen, in denen vorwiegend knackige Sätze aus seinen Büchern stehen. Petrucci zeichnet die Schlüsselmomente im Leben des Alpinisten nach, von der ersten Bergtour in den Dolomiten über den Tod seines Bruders Günther am Nanga Parbat im Jahr 1970 bis zum Bau seiner Museen in Südtirol.

Reinhold Messner war anfangs skeptisch, als Michele Petrucci ihn zum ersten Mal traf, um ihn für das Comic-Projekt zu befragen. "Michele versteht den Alpinismus als eine Art Extrem-Performance", schreibt Messner im Vorwort zum Comic, "ich selbst sehe mich auch als Geschichtenerzähler." Insofern ist es okay, dass Petruccis Bildererzählung eher auf abenteuerliche und effektvolle Szenen setzt als auf eine lineare, logisch nachvollziehbare Geschichte. Dass die Darstellung Messners stellenweise etwas arg ins Hotzenplotzige oder gar Braunbärhafte abdriftet, ist leicht irritierend. Andererseits: Wenn man jemanden mit einem Yeti verwechseln könnte, dann ja wohl Reinhold Messner.

Michele Petrucci: Reinhold Messner. Das Leben eines Extrembergsteigers. Aus dem Italienischen von Anja Kootz. Knesebeck Verlag, München 2018. 88 Seiten, 22 Euro.

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Quelle:
SZ vom 27.03.2018
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