Graf von Stauffenberg über Tom Cruise:"Er soll seine Finger von meinem Vater lassen"

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Der Sohn des Hitler-Attentäters Graf von Stauffenberg spricht über Tom Cruise, Scientology und schlecht recherchierte Historienfilme.

Martin Zips

Am 20. Juli 1944 deponierte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg bei einer Besprechung im Führerhauptquartier Wolfsschanze einen Sprengsatz, der Hitler töten sollte. Doch der Diktator überlebte; Stauffenberg, der 2007 seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte, wurde standrechtlich erschossen, seine schwangere Frau in Haft genommen, seine vier Kinder in ein Kinderheim verschleppt. Nun interessiert sich Hollywood für die "Operation Walküre". Der bekennende Scientologe Tom Cruise soll den Hitler-Attentäter spielen. Die SZ sprach mit Stauffenbergs ältestem Sohn Berthold, 72, pensionierter Generalmajor der Bundeswehr.

Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907 - 1944) in einer Aufnahme aus den frühen 30-er Jahren. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Graf Stauffenberg, der Hollywood-Schauspieler Tom Cruise soll in einem neuen Film Ihren Vater verkörpern. Wann haben Sie den Namen Tom Cruise zum ersten Mal gehört?

Berthold Graf Schenk von Stauffenberg : Ich bin kein großer Kinogänger und schaue auch kaum fern. Aber da gab es mal so einen Militär-Film . . .

SZ: "Top Gun"?

Stauffenberg: So hieß er wohl. Da bin ich beim Fernsehen reingestolpert. Cruise spielte einen Flieger. Aber zu Ende gesehen habe ich den Film nie. Er war mir zu schlecht. Und damals wusste ich weder, dass dieser Mann ein glühender Scientologe ist, noch, dass er sich mal für meinen Vater interessieren würde.

SZ: Könnten Sie den Darsteller Cruise in der Rolle Ihres Vaters verhindern?

Stauffenberg: Nein. Mein Vater ist eine Person der Zeitgeschichte. Selbst wenn ich nachträglich gegen den Film vorgehen würde - etwa, weil mein Vater in einer ehrabschneidenden Art dargestellt würde -, dann bestünde doch die Gefahr, dass ich für so etwas auch noch Werbung mache. Was soll ich mich vor irgendwelchen amerikanischen Gerichten rumstreiten? Verhindern kann ich diesen Film ohnehin nicht.

SZ: Haben Sie das Drehbuch gelesen?

Stauffenberg: Nein. Hat mir auch niemand angeboten. Ich habe eine Zeitlang gehofft, dass das alles nur ein Publicity-Gag von Herrn Cruise ist. Offenbar scheint das jedoch nicht so zu sein. Da kommt sicher nur Mist raus. Kann natürlich auch sein, dass ich mich täusche. Das würde mich sogar freuen.

SZ: Was wissen Sie über Scientology?

Stauffenberg: Hier in Stuttgart versuchen diese Leute, ziemlich aktiv zu sein. Sie bieten Hausaufgabenbetreuung für Schüler an und nehmen viel Geld für Kurse, die sie ihren Mitgliedern vorschreiben. Für mich ist das in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen - keine Kirche.

Man muss ja vorsichtig sein, was man sagt. Nicht, dass die einen verklagen. Andererseits sollte man seine Meinung schon äußern dürfen.

Im zweiten Teil: Was Stauffenberg von früheren Filmen über seinen Vater hält.

SZ: Was halten Sie von den bisherigen Filmen, die über Ihren Vater gedreht wurden? "Aufstand gegen Adolf Hitler!", "Der 20. Juli" aus den Fünfzigern oder "Stauffenberg" von Jo Baier?

Der Hollywood-Schönling Tom Cruise soll den Hitler-Attentäter spielen. (Foto: Foto: dpa)

Stauffenberg: Meine Erfahrung mit Spielfilmen ist: Drama kommt immer vor Fakten. Nehmen Sie den Film von Jo Baier. Das 15-seitige Gutachten, das die Filmleute von dem Stauffenberg-Fachmann Peter Hoffmann angefordert hatten, wurde absolut vollständig ignoriert.

Ich ärgere mich jetzt noch, dass ich damals zur Premiere nach Berlin gefahren bin. Zum Beispiel ist es nicht so, dass sich meine Eltern im Bayreuther Festspielhaus in Anwesenheit des Führers verlobt hätten. Sie haben sich zum 23. Geburtstag meines Vaters ganz woanders verlobt. Mein Vater war wahrscheinlich sogar niemals in Bayreuth. Stimmt also nicht.

Auch die Sache mit dem General Fellgiebel besoffen am Klo: erfunden. Oder die Begegnung mit einer Ukrainerin. Oder dieser aufgebaute Konflikt mit meiner Mutter. Oder die Schilderung des letzten Besuchs meines Vaters. Alles erfunden.

SZ: Ärgert Sie so etwas?

Stauffenberg: Ja. Das ärgert mich schon. Das einzig Gute ist, dass solche Filme bei manchen Menschen die tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema bewirken können. Aber das ist es dann auch. Und meine Mutter hat das auch geärgert. Aber sie hat dazu nicht viel gesagt. Sie hat nie viel gesagt.

SZ: Und jetzt nimmt sich Hollywood des 20. Juli 1944 an.

Stauffenberg: Es ist mir unsympathisch, dass ein bekennender Scientologe meinen Vater spielt. Ich sage damit nicht, dass Cruise ein schlechter Schauspieler ist. Das kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall befürchte ich aber, dass da ein grauenvoller Kitsch rauskommt.

Es existiert ja bereits ein amerikanischer Film über meinen Vater. Freunde aus den USA haben mich immer wieder darauf angesprochen, aber ich hatte ihn nie gesehen. Vor ein paar Jahren dann sah ich ihn - bei einem der Privatsender. Fürchterlich. Wirklich grauenvoll. Ich bin noch immer froh, dass meine Mutter damals nur Antennenempfang hatte und das nicht empfangen konnte.

SZ: Was war denn so grauenvoll?

Stauffenberg: Der Kitsch. Die Klischees.

SZ: Und die deutschen Filme aus den fünfziger Jahren?

Stauffenberg: Die kommen einem schon etwas verstaubt vor. In einem hat Bernhard Wicki meinen Vater gespielt. Den habe ich kürzlich im Supermarkt als DVD gefunden und mir gekauft. Der andere Film wurde von Artur Brauner produziert - mit Wolfgang Preiss als Stauffenberg. Im Sommer 1955 sind dann diese beiden Filme quasi gegeneinander im Kino angetreten. Das fand ich etwas unwürdig.

Selber habe ich nie daran gedacht, die Geschichte meines Vaters aufzuschreiben. Ich erinnere mich doch höchstens an fünf Jahre mit ihm. Gelegentlich trete ich aber als Zeitzeuge vor Studenten auf. Dabei rede ich nicht über den Widerstand, nur über persönliche Erlebnisse.

Ich war kein Mitglied des Widerstands. Bloß, weil ich den Namen meines Vaters trage, möchte ich nicht den Eindruck erwecken, dass ich über das Dritte Reich besser informiert bin als andere. Das Fernsehen meide ich. Ich fühle mich nicht als etwas Besonderes. Hitler hat vielen Menschen das Leben gekostet. Nicht nur meinem Vater.

Im dritten Teil: "Entweder wir treten als arrogante Herrenmenschen auf oder als devote und servile Bücklinge."

SZ: In deutschen TV-Dramen wie "Dresden" oder "Die Flucht" ging es ja darum zu zeigen: Nicht nur die anderen, auch wir haben wirklich Schlimmes erlebt.

Stauffenberg: Typisch deutsch. Früher durfte nur gesagt werden: Wir waren alle böse. Alles andere wäre politisch unkorrekt gewesen. Jetzt schlägt das Pendel vielleicht ein bisschen zu weit in die andere Richtung aus. Plötzlich ist sogar Grass dabei gewesen. Da wird man ja direkt zynisch. Wir Deutsche sind nicht dazu in der Lage, mit unserer Geschichte angemessen umzugehen. Entweder wir treten als arrogante Herrenmenschen auf oder als devote und servile Bücklinge. Wissen Sie, in einer Diktatur sind die meisten feige. Ist die Diktatur jedoch vorbei, so werden Strategien entwickelt, warum das, was man selber gemacht hat, eigentlich gar nicht so schlimm war. Und warum man gar nicht anders konnte. Das ist immer so.

SZ: Hat Ihr Vater denn mitgemacht?

Stauffenberg: Ein glühender Nazi war er nie. Er war ein sehr unabhängiger Geist, der den Widerspruch liebte. So hat er gelegentlich Nazis verteidigt wie auch ihnen widersprochen.

SZ: Wenn Hollywood Sie gerne als Berater mit ins Boot nehmen würde, würden Sie mitmachen?

Stauffenberg: Als Feigenblatt? Ich denke gar nicht dran. Die machen doch sowieso, was sie wollen.

SZ: Gibt es einen Ort, an dem Sie Ihres Vaters besonders gedenken?

Stauffenberg: In Lautlingen. Dort ist er aufgewachsen, und später wurde sein Name auf dem Grabstein auch mit draufgeschrieben. In memoriam. Nachdem er nach seinem gescheiterten Attentat auf Hitler erschossen worden war, hat man ihn verbrannt und seine Asche auf Feldern nahe Berlin verstreut. Ich weiß aber nicht, wo.

SZ: Hingerichtet wurde Ihr Vater im Bendlerblock. Dort will man ein Ehrenmal für deutsche Soldaten errichten.

Stauffenberg: Das finde ich sehr richtig. Wenn die Bundesrepublik Deutschland, also wir, Soldaten ins Ausland schicken, damit sie den Kopf dort hinhalten, dann sollte man ihrer auch gedenken. Egal, wie das Ehrenmal später mal gestaltet sein wird. Der Bendlerblock ist dafür jedenfalls der richtige Ort. Vor dem Reichstag wird so etwas eh nur mit Graffiti beschmiert.

SZ: Noch ein letztes Mal zu Tom Cruise. Gibt es etwas, was Sie ihm raten würden?

Stauffenberg: Er soll seine Finger von meinem Vater lassen. Er soll einen Berg besteigen oder in der Karibik surfen gehen. Es ist mir wurscht, solange er sich da raushält.

© SZ vom 22.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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