Süddeutsche Zeitung

Golden Globes und #MeToo:Oprah Winfrey for President?

Bei den Golden Globes hielt die US-Talkmasterin eine derart fulminante Rede, dass nun spekuliert wird, ob Winfrey womöglich das Amt der US-Präsidentin anstreben könnte.

Von Karoline Meta Beisel

Diese Frau muss man erleben, am besten vier Stunden lang in einem kleinen Raum. Das sei wie ein Studium an einer Business School im Schnelldurchlauf, absolviert allerdings in einem spirituellen Zentrum. So beschreibt die Schauspielerin Reese Witherspoon die Wirkung von Oprah Winfrey, mit der sie gerade einen Film gedreht hat. Für viele Amerikaner ist die Talkmasterin eine ferne, aber gute Freundin mit Ratschlägen für alle Fragen des Lebens: Welches Buch soll ich lesen, wie wird man glücklich, und ist das mit dem Irakkrieg eigentlich in Ordnung gewesen? Am Sonntag bekam die 63-jährige Afroamerikanerin bei den Golden Globes einen Preis für ihr Lebenswerk. Seit ihrer fulminanten Dankesrede fragen sich viele: Hat diese Frau noch mehr vor?

Sie wählte das Thema, das dieser Tage naheliegt bei einer Hollywood-Veranstaltung: die "Me Too"-Debatte. Die Filmbranche ist in Aufruhr, seit amerikanische Zeitungen im Oktober erstmals über sexuelle Belästigungen in der Filmwelt berichteten. Am Sonntag trugen viele Gäste als Zeichen der Solidarität mit den weiblichen Opfern Schwarz.

Schon mit drei Jahren sprach Winfrey in der Kirche regelmäßig vor Menschenmengen

Winfrey lobte in ihrer Rede den Mut der Frauen, die in den vergangenen Monaten ihre Geschichten von Missbrauch und Belästigung erzählt haben - erinnerte aber auch an all jene, die solche Misshandlungen jahrelang ertragen haben, weil sie "sich um Kinder zu kümmern und Rechnungen zu bezahlen und Träume zu verfolgen hatten". Zu lange seien betroffene Frauen nicht gehört worden oder man habe ihnen nicht geglaubt. Über die Täter urteilte Winfrey: "Their time is up". Ihre Zeit sei vorbei. Der Clip und das Transkript ihrer Rede verbreiteten sich rasend schnell durch die sozialen Netzwerke. Winfrey, die schon mit drei Jahren in der Kirche regelmäßig vor Menschenmengen sprach, versteht es, ihre Zuhörer mitzureißen.

Bei öffentlichen Auftritten jubeln die Menschen wie bei einem Rockkonzert. Jedes Buch, das sie empfiehlt, wird zum Bestseller. Als sie in den Neunzigern im Zuge der BSE-Affäre sagte, sie werde keine Burger mehr essen, verklagten Viehzüchter sie wegen Umsatzeinbußen. Als sie 2008 im Vorwahlkampf der Demokraten Barack Obama öffentlich unterstützte, soll ihm das einer Studie zufolge etwa eine Million Stimmen gebracht haben. Und seitdem Winfrey 2016 Anteile an der Diät-Firma Weight Watchers erwarb, ist deren Aktienkurs um ein Vielfaches gestiegen.

Der "Oprah-Effekt", wie Amerikaner das nennen, dürfte mit Winfreys Biografie zu tun haben, die sich liest wie ein wahr gewordener amerikanischer Traum. Die Milliardärin Winfrey, zu deren Imperium unter anderem ein eigener Fernsehsender und eine populäre Webseite gehören, ist eine der reichsten Personen der USA, stammt aber aus ärmlichen Verhältnissen. Ob Drogen, Gewichtsprobleme, Rassismus oder eine Teenie-Schwangerschaft - viele Themen, über die sie seit mehr als vierzig Jahren in ihren Fernsehsendungen redet, kennt sie aus ihrem Leben. Auch mit der "Me Too"-Debatte verbindet sie eigene Erfahrungen: Schon 1986 berichtete sie in ihrer langjährigen Sendung, der "Oprah-Winfrey-Show", wie sie als Kind von männlichen Verwandten missbraucht worden ist.

Ein Vorbild ist Winfrey für viele, weil sie nicht aufgibt. Auch jetzt sprach sie von der "Hoffnung auf einen helleren Morgen, selbst in unseren dunkelsten Stunden." Das klang derart staatstragend, dass Spekulationen laut wurden, ob Winfrey womöglich ein politisches Amt anstreben könnte - vielleicht sogar das höchste ihres Landes? Winfrey hat das bislang immer abgestritten. Im Oktober sagte sie dem TV-Sender CBS: "Von mir wird es keine Kandidatur für irgendetwas geben." Jedenfalls ihr langjähriger Lebenspartner Stedman Graham scheint andere Informationen zu haben: "Das hängt von den Leuten ab", sagte er am Sonntagabend. "Sie würde es auf jeden Fall machen."

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SZ vom 09.01.2018/doer
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