Golden Globes:Show ohne Knalleffekte

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Weil Hollywood immer mehr Filme und Serien auf den Markt wirft, nehmen sie sich gegenseitig die Aufmerksamkeit weg.

Von Susan Vahabzadeh

Lady Gaga gewann zwar nicht als beste Schauspielerin, wurde aber für den besten Song ausgezeichnet. (Foto: Reuters)

Die Verleihung der Golden Globes im Beverly Hilton Hotel, die am Sonntagabend zum 76. Mal stattfand, gilt als Orakel für die ganze Filmpreissaison, in der Hollywood seine beste Ware prämiert. Wenn sie das tatsächlich ist, dann sieht es für die Oscars nicht so gut aus. Es war nämlich nicht sehr aufregend. Es gab keinen klaren Sieger, kein Film bekam mehr als drei Preise, keiner räumte so richtig ab. Als kleiner Hauptsieger gilt nun "Green Book", mit nur drei Auszeichnungen: beste Komödie, bestes Drehbuch, bester Nebendarsteller Mahershala Ali. Er spielt in dem Film von Peter Farrelly einen schwarzen Jazzmusiker, der in den USA der Sechziger von den Weißen zwar für seine Musik geliebt wird, aber trotzdem nicht ihre Toiletten benutzen darf.

Der Vizesieger ist der Queen-Film "Bohemian Rhapsody", der als bestes Drama ausgezeichnet wurde; außerdem bekam Rami Malek für seinen Auftritt als Freddie Mercury den Preis als bester Hauptdarsteller in einem Drama. Alfonso Cuaróns "Roma" bekam ebenfalls zwei Preise. Cuarón gewann als bester Regisseur, der Film als bestes fremdsprachiges Werk. Hier war auch Florian Henckel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor" nominiert, der Deutsche ging aber leer aus.

Olivia Colman gewann für ihren Auftritt als Queen Anne in der historischen Tragikomödie "The Favourite". Da kann man nicht meckern. Aber: Wird die großartige Colman wirklich mal eine Legende werden? So wie es Jeff Bridges und Carol Burnett geworden sind, die für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurden? Aber vielleicht konnte man sich ja früher Jeff Bridges so wenig als weißhaarige Ikone vorstellen wie heute Bradley Cooper.

Es liegt nicht nur an den Stars und den Filmen, aber die Preisverleihungen der letzten Jahre, haben ein Relevanzproblem. Das hat nichts damit zu tun, dass es vielleicht Wichtigeres gibt als die Prämierung des besten Films oder des denkwürdigsten Auftritts in einer Fernsehserie, wenn überall im Land Behörden geschlossen bleiben, weil sich der Kongress und das Weiße Haus nicht auf einen Etat einigen können. Es hat vielleicht gar nichts mit Politik zu tun, auch wenn sich bei der diesjährigen Zeremonie der Eindruck verstärkt, dass Hollywood den Beschimpfungen der amerikanischen Rechten, die Unterhaltungsbranche sei ein Nest elitärer Liberaler, langsam nachzugeben scheint und sich politische Bekenntnisse verkneift.

Cristian Bale wurde als bester Darsteller ausgezeichnet und bedankte sich bei Satan

Es ist eher eine Diversifizierung des Markts, die einer Zeremonie wie dieser die Knalleffekte nimmt. Und bei den Globes, wo auch Fernsehshows prämiert werden, sieht man das besonders deutlich. Es gibt keine Straßenfeger mehr im Wust der Sender und Streamingdienste, selbst die erfolgreichsten Shows und Fernsehfilme sind heutzutage ein Minderheitenprogramm. Es haben einfach nicht genug Leute "The Marvelous Mrs. Maisel" (bei Amazon, beste Fernsehdarstellerin Rachel Brosnahan) oder "The Assassination of Gianni Versace: American Crime Story" (beim Sender FX, bester Fernsehfilm) gesehen, weder in Amerika noch anderswo.

Der Hollywood Reporter hat im Vorfeld Umfragen durchführen lassen, und viele der Favoriten sind weiten Teilen des Publikums nicht geläufig. Mit einer Ausnahme vielleicht, das Musikerdrama "A Star is Born" mit Lady Gaga und Bradley Cooper galt seit seiner Premiere in Venedig als Anwärter auf viele Preise, und gleichzeitig als Publikumsliebling. Und beide haben tatsächlich einiges geleistet, die Musikerin Gaga als Schauspielerin, und der Schauspieler Cooper als Musiker.

"A Star is Born" war fünfmal nominiert, Lady Gaga hat für den besten Song gewonnen, "Shallow"; Cooper ging leer aus. Gaga war auch noch als Schauspielerin nominiert, als beste Darstellerin in einem Drama, aber hier gewann die 71-jährige Veteranin Glenn Close für "Die Frau des Nobelpreisträgers"; und Cooper wurde als Regisseur von Alfonso Cuarón und als Schauspieler von Rami Malek geschlagen. Das wiederum muss für die Oscarverleihung aber noch nichts heißen, denn bei den Golden Globes treten die Schauspieler und die besten Filme in getrennten Kategorien an, für Komödien und Dramen, bei den Oscars gibt es jeweils nur einen Sieger.

Es gibt etwas an Preisverleihungszeremonien, was sie aber immer noch sehenswert macht: Man kann manchmal einen Blick auf die Menschen hinter den Rollen erhaschen. Der echte Christian Bale ist in "Vice" vollständig hinter der Maske des ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney verschwunden. Er sieht aus und spricht wie dieser rundliche, uncharismatische Politiker aus Nebraska, der nur im Ränkeschmieden herausragend war. Wenn Bale dann aber als er selbst auf eine Bühne tritt, kurz nachdem eine Aufnahme von ihm in dieser Rolle eingeblendet wurde, ist das nachgerade ein Schock. Man hätte es über der Schminke und dem starken amerikanischen Akzent fast vergessen: Bale ist ein knochiger, charismatischer Engländer. Seinem Sieg als bester Darsteller in einer Komödie ging einer der besten Gags des Abends voraus. Der Komiker und Schauspieler Andy Samberg, neben seiner Kollegin Sandra Oh einer der beiden Moderatoren des Abends, witzelte in Anspielung auf Dick Cheneys größten Coup - die Invasion des Iraks auf der Suche nach Al-Qaida -, "Vice" sei aufgrund falscher Geheimdienstinformationen in die falsche Kategorie einmarschiert. Dass das Politdrama bei den Globes als Komödie firmiert, ist allerdings tatsächlich merkwürdig.

Bale fügte in seiner Dankesrede der sich ewig wiederholenden Liste dankenswerter Inspirationsquellen, von Ehegatten über Regisseure bis zu realen Vorbildern, dann noch einen ganz neuen Eintrag hinzu. Er dankte Satan, was mindestens so bemerkenswert ist wie sein Sieg als Komödiant, aber doch auch wieder nicht allzu geistreich.

Sein Porträt hatte ja schließlich ein reales Vorbild und basierte eben nicht auf einer fiktiven Personifizierung des Bösen. Wer aber so ein großartiger Schauspieler ist wie Christian Bale, kann sich den einen oder anderen verbalen Aussetzer erlauben. Er wird ganz sicher eines Tages wieder da oben stehen, als weißhaarige Legende.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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